Berufsunfähigkeit eines Schreiners: Besondere Risiken durch Arbeit an gefährlichen Maschinen
Ob Fräsen, Sägen oder Schleifmaschinen: Wer als Schreiner arbeitet, hantiert [...]
Autor:
Jürgen Wahl
Veröffentlich am:
3. Juni 2025
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Ob Fräsen, Sägen oder Schleifmaschinen: Wer als Schreiner arbeitet, hantiert tagtäglich mit potenziell gefährlichen Werkzeugen. Um Unfälle und Verletzungen zu vermeiden, ist es daher unerlässlich, dass jeder, der diese Maschinen bedient, im Vollbesitz seiner geistigen und körperlichen Fähigkeiten ist. Bei einem Schreiner, der innerhalb eines Monats vier epileptische Anfälle erlitten hat, ist dies nicht der Fall so das eine Berufsunfähigkeit im Raum steht.
Doch wie wirkt es sich versicherungsrechtlich aus, wenn nach dem Ende der Krankschreibung keine weiteren Anfälle auftreten? Liegt auch dann noch eine Berufsunfähigkeit vor?
In einem Fall, den das Oberlandesgericht (OLG)Koblenz entscheiden mussten, stritten ein Schreiner und seine Berufsunfähigkeitsversicherung im eben diese Fragen.
Wann ist eine Epilepsie (nicht mehr relevant) für die Berufsunfähigkeit?
Die Gesellschaft stellte sich auf den Standpunkt, dass eine lange anfallsfreie Zeit genüge, um eine Berufsunfähigkeit zu verneinen. Der Schreiner hielt dagegen – und errang vor Gericht einen Sieg.
In seiner Entscheidung stützte sich das OLG Koblenz auf die Einschätzung eines Sachverständigen. Ihm zufolge litt der Schreiner an einer primär generalisierten Epilepsie. Auch unter antikonvulsiver Therapie zeigten sich im Elektroenzephalogramm (EEG) Befunde, die typisch für diese Diagnose seien. Diese Veränderungen im EEG ließen sich trotz der Dauermedikation nachweisen. Das wiederum spreche dafür, dass die Anfälle jederzeit – auch tagsüber – wieder auftreten könnten. Und damit für eine Berufsunfähigkeit des Schreiners.
Eine Arbeit an gefährlichen Maschinen in einer Schreinerei war nach den Aussagen des Sachverständigen daher auch dann ausgeschlossen, wenn der Versicherte über einen längeren Zeitraum anfallsfrei geblieben ist.
Allgemeine Ligaempfehlungen, die für Epileptiker ein Arbeiten an gefährlichen Maschinen zulassen, wenn die Patienten mindestens drei Jahre anfallsfrei sind, waren vorliegend nicht einschlägig, da es im konkreten Fall valide Anhaltspunkte dafür gab, dass der Schreiner jederzeit wieder neue Anfälle erleiden könnte.
Schon dass wäre eigentlich Grund genug gewesen, um die Berufsunfähigkeit eines Schreiners zu bejahen.
Wenn Krankheit die Gefahren für einen bestimmten Beruf erhöht, kann das zur Berufsunfähigkeit führen
Im konkreten Fall hatte ein Sachverständiger aber auch ausgesagt, dass das Risiko des Schreiners, einen weiteren Anfall zu erleiden, im maßgeblichen Zeitpunkt bei 70 Prozent lag. Aus Sicht des Senats war es dem Schreiner bei dieser hohen Wahrscheinlichkeit ohnehin nicht zuzumuten, Arbeiten an gefährlichen Maschinen zu verrichten. Denn wenn ein Beruf im Zusammenhang mit einer bestimmten Krankheit besondere Gefahren mit sich bringt, kann dies zu einer Berufsunfähigkeit führen, wie zum Beispiel der Beruf des Gastwirts für einen Alkoholiker (vgl. OLG München, Az. 25 O 4246/06).
Im vorliegenden Fall hatte die Versicherung überdies nicht aufgezeigt, dass für Schreiner die Möglichkeit einer Berufsausübung existiere, die nicht mit dem Einsatz gefährlichen Maschinen verbunden ist. Allein die Tatsache, dass es Maschinen mit besonderen, insoweit die Gefahren weitgehend ausschließenden Sicherheitsvorkehrungen gebe, wirkt daher nicht zu ihren Gunsten.
Gleiches gilt für ihren Einwand, dass das Risiko weiterer Anfälle nach langen anfallsfreien Zeiten sinke und deshalb keine Berufsunfähigkeit vorliege. Hierzu führte der Gutachter aus, dass sich die Risiken eines erneuten Anfalls in solchen Konstellationen zwar nicht genau bestimmen lassen, durchschnittlich aber nicht weniger als 30 Prozent und in keinem Fall weniger als zehn Prozent betragen.
Vor diesem Hintergrund stand es für das Gericht fest, dass der Schreiner nicht mehr als Schreiner arbeiten kann und berufsunfähig im Sinne der Versicherungsbedingungen ist (OLG Koblenz, Az. 10 U 469/10).
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