Vorlesen von Gesundheitsfragen durch Versicherungsvertreter als Formfehler?

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Wer eine Lebens-, Kranken- oder Berufsunfähigkeitsversicherung abschließen möchte, muss, wie bei zahlreichen anderen Versicherungen, im Vorfeld des Vertragsschlusses einen mehr oder minder detaillierten Gesundheitscheck durchlaufen.

Dabei schreibt § 19 Abs. 1 S. 1 des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) vor, dass diese Fragen in Textform zu stellen sind und der Kunde auch nur auf in dieser Weise gestellte Fragen antworten muss. Dies soll verhindern, dass Versicherungsnehmer auch für Umstände haften, die sie nicht als relevant erkennen konnten.

Doch wann ist die Textform im Sinne der Vorschrift gewahrt? Mit dieser Frage musste sich vor Kurzem das Oberlandesgericht (OLG) Hamm auseinandersetzen.

Wann ist ein Text ein Text?

Im konkreten Fall ging es um einen Kunden, der im Vorfeld des Vertragsschlusses wahrheitswidrige Angaben zu seinem Gesundheitszustand gemacht hatte. In einem solchen Fall darf der Versicherer vom Vertrag zurücktreten, wenn er den Interessenten sowohl formgerecht befragt als auch formgerecht über die Risiken etwaiger Falschaussagen belehrt hat.

Genau dies bestritt der Versicherungsnehmer im vorliegenden Fall jedoch. Sein Argument: Der Agent der Versicherung habe ihm die Gesundheitsfragen lediglich vorgelesen und seine Antworten in den Laptop eingegeben. Zwar sei er das Antragsformular noch einmal mit ihn durchgegangen, wobei er den Bildschirm so platzierte, dass der Kunde den Text lesen konnte, bevor er – auf dem Unterschriftenpad – signierte.

Auch habe der Agent dem Mann den Antrag einschließlich der Gesundheitsfragen, seiner Antworten und der Belehrung auf einem Datenträger überlassen. Damit allein aber, so der Kunde, sei die Textform nicht gewahrt. Das Rücktrittsrecht des Versicherers wegen falscher Angaben sei damit ausgeschlossen.

Erst vorlesen, dann selbst lesen

Dieser Auffassung folge weder das Landgericht Bielefeld noch das OLG Hamm. Die Richter führten vielmehr aus, dass es für die Wahrung der Textform keinen Unterschied mache, durch welches Medium der Inhalt des Dokuments visualisiert werde. Ohne konkrete Anhaltspunkte sei insbesondere auch nicht etwa anzunehmen, dass eine Lektüre am Bildschirm von vornherein nur geringere Verständnismöglichkeiten biete als eine Lektüre auf Papier, zumal in beiden Varianten kein Zeitdruck bestehen darf und die Möglichkeit für klärende Rückfragen gegeben sein muss.

Diese Voraussetzungen waren im vorliegenden Fall erfüllt.

Ob der Agent den Datenträger vor oder nach der Unterschrift übergeben hat, sei hingegen unerheblich. Der Grund: Auch bei einem Antrag in Schriftform war es ausreichend, dass der Antragsteller die für ihn bestimmte Durchschrift erst nach seiner Unterschrift und anschließender Trennung der durchgeschriebenen Papierbögen ausgehändigt bekam (OLG Hamm, Az. 20 U 223/23).

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