Wann sind Selbstständige berufsunfähig?

Selbstständige führen ihren Beruf grds. nach eigener Organisation und nicht [...]

Autor:

Jürgen Wahl

Veröffentlich am:

30. Juni 2025

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Selbstständige führen ihren Beruf grds. nach eigener Organisation und nicht fremdbestimmt aus. Das Fehlen eines weisungsbefugten Vorgesetzten ist damit Bestandteil ihres Berufs im Sinne der Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB).

Dementsprechend kann ein Selbstständiger auch erst dann berufsunfähig werden, wenn ihm trotz Umorganisation seines Betriebs keine Tätigkeitsbereiche mehr offenstehen, in denen er noch hinreichend unternehmerisch arbeiten kann (BGH, Az. IV ZR 238/01).

Insgesamt müssen damit drei Voraussetzungen erfüllt sein, um die Berufsunfähigkeit eines Selbstständigen zu bejahen:

  • Er kann seine zuletzt konkret ausgeübte Tätigkeit aus gesundheitlichen Gründen dauerhaft nicht mehr im vereinbarten Umfang fortführen.
  • Die Tätigkeit lässt sich nicht in einer Weise umorganisieren, dass dem Unternehmer noch ein angemessener und gesundheitlich zu bewältigender Aufgabenbereich verbleibt.
  • Eine (mögliche) Umorganisation ist wirtschaftlich und persönlich nicht zumutbar.

Besondere Anforderungen an Selbstständige, die eine Berufsunfähigkeit nachweisen wollen

Allein die Tatsache, dass ein Selbstständiger seinen Beruf aufgegeben hat, bedeutet folglich noch nicht, dass eine Umorganisation des Betriebes nicht möglich war und eine Berufsunfähigkeit vorliegt: Andernfalls wäre der Manipulation Tür und Tor geöffnet.

Die tatsächliche Möglichkeit der Umorganisation setzt allerdings stets voraus, dass der Betroffene dazu gesundheitlich und rechtlich in der Lage ist. Ob dieser der Fall ist, ist mitunter schwieriger zu beantworten, als es scheint. Grundsätzlich gilt jedoch: Je kleiner der Betrieb, desto eher kann Unzumutbarkeit vorliegen, weil Kleinstunternehmer oft nicht die Mittel zur Vermeidung einer Berufsunfähigkeit aufbringen können.

So entschied etwa das Oberlandesgericht (OLG) Köln: Einem Selbstständigen, der überwiegend in der Küche seines Imbisses tätig ist und nur eine einzige Hilfskraft im Service beschäftigt, ist die Umorganisation des Betriebs nicht zumutbar. (OLG Köln, Az. 10 U 960/11). Ebenso befand das OLG Karlsruhe:  Ein selbstständigen Kfz-Meister der an Bauchspeicheldrüsenkrebs erkrankt, muss nach der Diagnose nicht in eine abhängige Beschäftigung wechseln, auch wenn er trotz der schlechten Prognose noch auf eine Heilung und auf eine Weiterführung seines Betriebs hofft (OLG Karlsruhe, Az. 9 U 54/18). Auch hier musste die Versicherung die Rente wegen Berufsunfähigekeit zahlen.

Selbstständige sind Gehaltsschwankungen gewohnt – und müssen daher höhere Einbußen hinnehmen

Grundsätzlich gilt, dass die Umorganisation der selbstständigen Arbeit nicht mit auf Dauer ins Gewicht fallenden Einkommenseinbußen verbunden sein darf (BGH, Az. IV ZR 238/01). Die Grenze ziehen die Gerichte in der Regel bei etwa 25 bis 35 Prozent. „Dieser Maßstab beim Vergleich des Einkommens vor und nach der Umorganisation ist wegen der natürlichen Einkommensschwankungen bei Selbstständigen etwas großzügiger bemessen als in vergleichbaren Fragestellungen bei Arbeitnehmern“, sagt Rechtsanwalt Jürgen Wahl. Dennoch dürfen auch Selbstständige nicht über Gebühr belastet werden, wenn es um den Nachweis einer Berufsunfähigkeit geht. Vor diesem Hintergrund sind ihnen zum Beispiel auch Mehrausgaben nur dann zumutbar, wenn die Umschichtungen Sinn ergeben und sich die zusätzlichen Kosten wieder ausgleichen lassen (OLG Koblenz, Az. 10 U 1073/99).

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