Private Krankenversicherung muss nach gescheiterter Chemo auch neuartige Therapien bezahlen

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Ein Patient hat einen inoperablen Tumor in der Bauchspeicheldrüse. Die klassische Chemotherapie versagt. Alle Hoffnungen ruhen nun auf einer Neulandtherapie, die mehr leisten könnte als eine palliative Standardbehandlung. Doch muss die private Krankenversicherung zahlen?

Ein Tumor in der Bauchspeicheldrüse gehört trotz des medizinischen Fortschritts zu den schwerwiegendsten Krebserkrankungen. Doch welche Behandlungen muss eine private Krankenversicherung bezahlen, wenn eine schulmedizinische Erstlinientherapie bei einem unheilbar erkrankten Menschen nicht den gewünschten Erfolg erzielt?
Nach Auffassung des Oberlandesgerichts Frankfurt braucht sich der schwerkranke Patient jedenfalls nicht auf eine schulmedizinische Zweitlinientherapie mit prognostisch noch geringerer Wirksamkeit verweisen zu lassen (Az. 7 U 140/21). Stattdessen hat er einen Anspruch darauf, dass die Versicherung auch die Kosten einer neuartigen, wissenschaftlich fundierten Alternativtherapie übernimmt. Das gilt zumindest dann, wenn das Neulandverfahren im Zeitpunkt der Behandlung die nicht ganz entfernte Aussicht begründet, einen über die palliative Standardtherapie hinausreichenden Erfolg zu erbringen.
Im konkreten Fall hatte ein privat krankenversicherter Patient nach dem Scheitern einer Chemotherapie eine sogenannte dendritische Zelltherapie begonnen. Dieses Verfahren setzt darauf, das Immunsystem eines Patienten gezielt gegen seinen Tumor zu mobilisieren.

Todkranker Patient muss sich nicht auf Standard-Behandlungen verweisen lassen

Mit Verweis auf die Versicherungsbedingungen verweigerte die private Krankenversicherung des Mannes die vollständige Kostenübernahme und bezahlte – vermeintlich auf freiwilliger Basis – nur die Hälfte. Das Argument: Laut Vertrag müsse sie nur für Untersuchungs- oder Behandlungsmethoden sowie Arzneimittel aufkommen, die von der Schulmedizin überwiegend anerkannt sind. Gleiches gelte für Methoden und Arzneimittel, die sich in der Praxis als ebenso Erfolg versprechend bewährt haben oder die angewandt werden, weil keine schulmedizinischen Methoden oder Arzneimittel zur Verfügung stehen. Diese Voraussetzungen seien vorliegen aber nicht erfüllt.
Die Ehefrau des (inzwischen verstorbenen) Patienten klagte gegen diese Ablehnung und errang vor dem OLG Frankfurt einen Sieg. Die Richter verurteilten die Versicherung dazu, auch den noch offenen Betrag zu zahlen. Die dendritische Zelltherapie stelle eine Heilbehandlung im Sinne der Krankheitskostenbedingungen (MB/KK 2009) der privaten Krankenversicherungen dar. Die Behandlung habe die Symptome der Krebserkrankung lindern und den Gesundheitszustand stabilisieren sowie einer Verschlimmerung entgegenwirken sollen.

Objektive Vertretbarkeit der Therapie genügt

Die Heilbehandlung sei zudem medizinisch notwendig gewesen. „Bei einer lebenszerstörenden, unheilbaren Krankheit kann nicht mehr darauf abgestellt werden, ob sich die gewünschte Behandlung zur Erreichung des vorgegebenen Behandlungszieles tatsächlich eignet.“ Die objektive Vertretbarkeit der Behandlung sei folglich schon dann zu bejahen, wenn sie nach medizinischen Erkenntnissen im Zeitpunkt ihrer Vornahme wahrscheinlich auf eine Verhinderung der Verschlimmerung der Erkrankung oder zumindest auf ihre Verlangsamung hinwirke.
Eine hinreichende wissenschaftliche Evidenz für die Effektivität sei indes nicht erforderlich. Der Sachverständige habe hier einen solchen Ansatz und die Vertretbarkeit der Therapie bestätigt, die – zumindest bei einigen Krebsarten –bereits Erfolge zeige.

Kommentar von Rechtsanwalt und Fachanwalt für Versicherungsrecht, Jürgen Wahl:

Auch wenn die Entscheidung noch nicht rechtskräftig ist, belegt der Fall einmal mehr, wie wichtig es ist, sich gegen die Leistungsverweigerung einer privaten Krankenversicherung zur Wehr zu setzen. Sie haben ebenfalls Probleme mit Ihrer Versicherung? Wenden Sie sich an unsere spezialisierte Kanzlei für Versicherungsrecht. Wir beraten Sie kompetent und fair.

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