Blutalkohol unter 2,0 Promille als alkoholbedingte Bewusstseinsstörung in der privaten Unfallversicherung?
Eine 65-jährige Frau stürzt nach Familienfeier und muss ins Krankenhaus. Dort zeigt sich nicht nur, dass die Frau eine inkomplette Querschnittslähmung davontragen wird. Die Ärzte stellen auch fest, dass sie zur Zeit der Aufnahme 1,17 Promille Alkohol im Blut hatte.
Dennoch zeigt ihr Mann den Schaden bei seiner Unfallversicherung (über die auch die Frau versichert ist) an. Er gibt an, seine Frau habe eine „Synkope“, also eine plötzliche Ohnmacht erlitten. Dies war auch die Ersteinschätzung des Notarztes.
In der zusammen mit einem Versicherungsvertreter ausgefüllten Schadensanzeige findet sich zudem die folgende handschriftliche Schilderung des Unfallhergangs:
„Sturz in der Wohnstube, bedingt durch im Weg stehende Haus-Pantoletten. Frau K.…. hatte bereits das Licht gelöscht um ins Bett zu gehen.“ Die Frage des Versicherers, ob die verletzte Person in den letzten 24 Stunden vor dem Unfall Alkohol zu sich genommen verneinte der Mann ebenso wie die Frage, ob eine Blutprobe entnommen wurde.
Falsche Angaben in der Meldung werden Versicherungskunden zum Verhängnis
Die Versicherung verweigerte die Leistung, da eine „Synkope“ eine nach den Versicherungsbedingungen ausgeschlossene Bewusstseinsstörung war bzw. die Aufnahme- und Reaktionsfähigkeit bei einer solchen Ohnmachtsattacke wesentlich herabgesetzt gewesen sei. Daraufhin schrieb die Frau, sie sei vor ihrem Sturz über diverse Spielzeuge gestolpert und aus diesem Grund gestürzt. Die Versicherung blieb angesichts der unterschiedlichen Schilderungen des Unfallhergangs jedoch bei ihrer Haltung. Der Fall wurde streitig.
Vor dem Oberlandesgericht (OLG) Dresden ging es unter anderem um die Frage, ob eine Blutalkoholkonzentration von 1,17 Promille als Bewusstseinsstörung im Sinne der Versicherungsbedingungen anzusehen. Das Gericht verneinte dies.
Der Anspruch der Frau scheiterte aber trotzdem, da der Ehemann auf dem Fragebogen der Versicherung falsche Angaben gemacht, damit seine Aufklärungsobliegenheiten vorsätzlich verletzt und die Gesellschaft arglistig getäuscht hatte (OLG Dresden, Az. 4 U 2022/23).
Wichtige Unterscheidung
Der Senat führte dazu aus, dass im Fall einer alkoholbedingten Bewusstseinsstörung eine fallbezogene Betrachtungsweise unter Berücksichtigung der Gesamtumstände vorzunehmen. Selbst bei einer hohen Blutalkoholkonzentration (unterhalb von 2,0 Promille) lasse sich daher bei einem Sturz noch nicht automatisch auf eine alkoholbedingte Bewusstseinsstörung schließen.
Das OLG Dresden bejahte im konkreten Fall allerdings eine arglistigen Obliegenheitspflichtverletzung, die zu einem Leistungsausschluss führe. Der Ehemann hätte die Frage nach dem Alkoholkonsum seiner Frau nicht ins Blaue hinein“ verneinen dürfen, da ihm bekannt war, dass seine Frau im Rahmen von Familienfeiern Alkohol trinkt.
Kommentar von Jürgen Wahl, Fachanwalt für Versicherungsrecht in Offenbach:
Auch wenn die Entscheidung im konkreten Fall zulasten des Versicherungsnehmers ausging, ist darauf hinzuweisen, dass der Genuss von Alkohol vor einem Unfall die Gesellschaft nicht automatisch dazu berechtigt, die Leistung zu verweigern. Dies gilt jedenfalls unterhalb der Schwelle von 2,0 Promille. Gesellschaften, die sich auf diesen Ausschlussgrund berufen, müssen daher regelmäßig beweisen, dass aufgrund des Alkoholkonsums auch im konkreten Fall eine Bewusstseinsstörung vorlag. Hier ist es wichtig, sich von Anfang an juristisch beraten zu lassen und falsche Angaben in der Schadensmeldung unbedingt zu vermeiden.
Neue Beiträge
Teure Fahrräder aus Garage geklaut – Versicherung muss zahlen11. April 2025
Blutalkohol unter 2,0 Promille als alkoholbedingte Bewusstseinsstörung in der privaten Unfallversicherung?
31. März 2025
Wahlleistungsvereinbarung: Wann müssen Patienten erfahren, dass der Chefarzt sie nicht operieren wird?
19. März 2025
Berufsunfähiger Fußball-Profi: Konkrete Verweisung auf (deutlich) schlechter bezahlten Trainerjob ist unzulässig
27. Februar 2025
Unfall auf städtischem Gehweg: Rechtsanwalt Wahl erstreitet Schmerzensgeld
27. Februar 2025

Versicherungsrecht Offenbach

Rechtsanwalt Unfallversicherung?
Jürgen Wahl, Fachanwalt für Versicherungsrecht, berät Sie gerne bei allen juristischen Problemen mit Ihrer Unfallversicherung.
Wir sind bekannt aus:



Mitgliedschaften:






