Wahlleistungsvereinbarung: Wann müssen Patienten erfahren, dass der Chefarzt sie nicht operieren wird?
Wer sich im Krankenhaus eine Chefarztbehandlung sichert, darf nicht in jedem Fall davon ausgehen, dass auch wirklich der Chef persönlich am OP-Tisch steht. Angesichts der nur begrenzen Planbarkeit eines Operations-Tages müssen Patienten vielfach auch mit dem ständigen Vertreter vorliebnehmen.
Doch was gilt, wenn ein Patient eine Wahlleistungsvereinbarung für die Chefarztbehandlung zu einem Zeitpunkt unterschreibt, zu dem bereits klar ist, dass besagter Chefarzt zum avisierten OP-Termin verhindert sein wird?
Diese Frage hatte vor Kurzem das Oberlandesgericht (OLG) Dresden zu klären.
Im konkreten Fall hatte sich ein Patient am Morgen des 31.8.2020 in einer Klinik vorgestellt, da für den Folgetag ein chirurgischer Eingriff geplant war. Bei der Aufnahme (um 9.25 Uhr) gab der Patient an, er wolle gegen ein gesondert zu zahlendes Entgelt vom Chef persönlich operiert werden und unterzeichnete eine entsprechende Wahlleistungsvereinbarung.
Zu diesem Zeitpunkt war in der Verwaltung bereits bekannt, dass der Chefarzt am kommenden Tag, dem Operationstag, verhindert sein würde.
Erst Aufnahme, dann Information
Nachdem die Aufnahmeformalitäten weitgehend abgeschlossen waren und der Patient sein Bett hatte, übergab ein Klinikmitarbeiter dem Mann ein Formular. Dieses enthielt die Information, dass der Chefarzt am Operationstag verhindert sein werde – der Patient konnte nun wählen, ob er von dessen Stellvertreter oder einem anderen Klinikarzt behandelt werden oder die Operation absagen bzw. verlegen wolle. Weitere Informationen erhielt der Patient nicht.
Er entschied sich für die Operation durch den Stellvertreter und füllte das Formular entsprechend aus.
Aufklärung über Wahlleistungen folgt anderen Regeln als die medizinische Aufklärung
Nachdem der Eingriff am Folgetag, wie geplant, durch den Stellvertreter des Chefarztes erfolgt war, rechnete die Klinik die Operation als „Wahlarztbehandlung Chefarzt“ gegenüber dem Patienten ab und stellte diesem rund 7.500 Euro in Rechnung.
Dieser verweigerte jedoch die Bezahlung. Er argumentierte, die Wahlleistungsvereinbarung sei unwirksam, da die Klinik von der Verhinderung des Wahlarztes bereits gewusst habe, als der den (ursprünglichen) Vertrag unterschrieben habe. Dass die Aufklärung hierrüber erst Stunden später erfolgt sei, verstoße gegen ärztliche Aufklärungspflichten und sei zudem treuwidrig.
Die Klinik klagte daraufhin und bekam – nach einer Niederlage in erster Instanz – schließlich recht. Da OLG Dresden entschied, dass eine sofortige mündlichen Aufklärung über die Verhinderung des Chefarztes nicht nötig sind ist, solange der Patient, wie hier, in der Zeit zwischen der Unterzeichnung der Wahlleistungsvereinbarung und der Stellvertretervereinbarung nicht ärztlich behandelt wird (OLG Dresden, Az. 4 U 1004/24).
Insbesondere unterliegen die Informationspflichten vor Abschluss einer Stellvertretervereinbarung wegen Verhinderung eines Wahlarztes nicht den Anforderungen an eine medizinische Aufklärung.
Kommentar von Jürgen Wahl, Fachanwalt für Versicherungsrecht in Offenbach:
Dass die erste Instanz im obigen Fall anders entschieden hat als das OLG, erstaunt nicht: Denn nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes müssen Patienten so früh wie möglich von der Verhinderung des Wahlarztes erfahren (BGH, Az. III ZR 144/07). Die Tatsache, dass der Patient nach Erhalt der Information über die Verhinderung des Wahlarztes noch einen Tag Zeit hatte, seine Entscheidung zu treffen, lässt den Fall zwar in einem anderen Licht erscheinen, rechtfertigt aber nicht zwingend eine Entscheidung zugunsten des Klinikträgers.
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