Arthrose im Knie: Körperliche Fitness entscheidet über Berufsunfähigkeit eines Notarztes
Ein Notarzt, der sich nicht mehr hinknien kann, kann berufsunfähig sein, [...]
Autor:
Jürgen Wahl
Veröffentlich am:
26. Juni 2025
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Ein Notarzt, der sich nicht mehr hinknien kann, kann berufsunfähig sein, selbst wenn eine kniende Tätigkeit den Grenzwert von 50 Prozent bei Weitem nicht erreicht. Der Grund: Die Einsätze des Notarztes dienen gerade dazu, Verletzten und insbesondere Schwerverletzten und Kranken schnell und zuverlässig zu helfen. Die körperlichen Anforderungen beim konkreten Einsatz des Notarztes stehen im Voraus nicht fest. Daher kann ein Notarzt seiner Arbeit nicht nachgehen, wenn eine nennenswerte körperliche Belastung nicht möglich ist – etwa die Behandlung liegender Verletzter in kniender Stellung.
Allerdings stellt sich die Frage, ob ein Notarzt, der unter einer behandelbaren Arthrose im Knie leidet und deshalb (zumindest vorübergehend) nicht knien kann, automatisch berufsunfähig ist – oder ob er, im Vorfeld einer möglichen Operation, „nur“ als arbeitsunfähig gilt und deshalb Krankentagegeld beanspruchen kann.
Diese Frage hat das Oberlandesgericht (OLG) Saarbrücken entschieden – zugunsten des Arztes.
Dieser hatte argumentiert, er sei zwar arbeitsunfähig, da ihm eine „prägende Tätigkeit“ unmöglich sei und er deshalb keine Einsätze als Notarzt mehr absolvieren könne. Eine Berufsunfähigkeit liege aber nicht vor, es eine Operation gebe, die seinen Zustand wieder verbessern und seine Beschwerden beheben könnte.
Entsprechend verlangte der Arzt von seinem Versicherer die Zahlung von Krankentagegeld für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit. Der allerdings wollte den Kunden direkt als berufsunfähig einstufen und verweigerte die Zahlung. Der Fall wurde streitig.
Hintergrundinformationen: Arbeits- oder berufsunfähig – das ist hier die Frage
Auch Heilungsmöglichkeiten spielen für die Prognose eine Rolle
Grundsätzlich liegt eine Berufsunfähigkeit bei einem Arzt immer dann vor, wenn dieser nach medizinischem Befund im bisher ausgeübten Beruf auf nicht absehbare Zeit mehr als 50 Prozent nicht mehr arbeiten kann.
Ein solcher Zustand auf nicht absehbare Dauer besteht immer dann, wenn nach aller Erfahrung trotz des Einsatzes aller medizinischen Mittel mit der Wiedererlangung der Arbeitsfähigkeit überhaupt nicht zu rechnen ist oder sich jedenfalls aufgrund der relativ geringen Heilungschancen nicht absehen lässt, ob der Arzt jemals wieder in seinem Beruf wird arbeiten können.
Das gilt auch dann, wenn sich der Arzt einer notwendigen Operation nicht unterziehen will, weil sie gesundheitliche Risiken für ihn birgt.
Schwierige Abgrenzung zwischen Arbeitsunfähigkeit und Berufsunfähigkeit im Einzelfall
Grundsätzlich hätte es im konkreten Fall also durchaus Raum gegeben, eine Berufsunfähigkeit des Notarztes anzunehmen. Allerdings lagen die Dinge hier ein wenig anders, da es durch eine Umstellungsosteotomie möglich erschien, die Arbeitsfähigkeit des Arztes wiederherzustellen – eine Prognose, die der Sachverständige im Prozess bestätigte.
Da der Notarzt zu dieser Zeit erst 48 Jahre alt war und schon deshalb ein hohes Interesse daran haben sollte, die Operation durchführen zu lassen um nicht berufsunfähig zu werden, entschied das Gericht im konkreten Fall daher für eine Arbeitsunfähigkeit und gegen eine Berufsunfähigkeit (OLG Saarbrücken, Az. 5 U 297/09–76).
Kommentar von Jürgen Wahl, Fachanwalt für Versicherungsrecht:
Kein Nebeneinander der Leistungen aus Berufsunfähigkeitsversicherung und Krankentagegeldversicherung, denn Krankentagegeld- und Berufsunfähigkeitsversicherung sichern unterschiedliche Risiken ab. Erstere betrifft den vorübergehenden Ausfall der Arbeitskraft, letztere den langfristigen. In der Regel endet daher die Zahlung des Krankentagegeldes, wenn eine Berufsunfähigkeit festgestellt wird. Je nachdem, von welcher Versicherung eine Leistung begehrt wird, sind folglich unterschiedliche Argumentations-Strategien sinnvoll. Ein erfahrener Rechtsanwalt kann Ihnen helfen, den jeweils passenden Ansatz für Ihr Anliegen zu finden.
