Leistungsausschluss wegen Straftaten – schneller passiert als gedacht
Versicherungen sind normalerweise darauf ausgelegt, ihre Kunden gegen unvorhergesehene und unbeabsichtigte Schäden abzusichern, nicht aber gegen solche, die absichtlich herbeigeführt wurden. Entsprechend sehen die meisten Verträge einen Leistungsausschluss für Fälle vor, in denen der Kunde den Versicherungsfall vorsätzlich herbeigeführt hat.
Haftpflichtversicherungen etwa zahlen allenfalls, wenn Kunde fahrlässig das Eigentum eines anderen beschädigen oder diesen verletzen. Bei vorsätzlichen Taten hingegen ist der Versicherungsschutz ausgeschlossen.
Auch bei den privaten Unfallversicherungen sind Schäden durch Unfälle, die auf eine Straftat des Kunden zurückgehen, grds. ausgeschlossen. Überraschend ist jedoch, wie schnell eine solche Straftat zu bejahen sein kann. Das zeigt eine jüngere Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) München.
Im konkreten Fall verlangte ein Mann Leistungen seiner Unfallversicherung für seinen (mitversicherten) Sohn. Dieser hatte (ohne Einverständnis des Eigentümers) das umzäunte Grundstück des Nachbarn betreten, war dort auf eine Kletterwand geklettert und mehrere Meter tief gestürzt. Dabei zog sich der Junge so schwere Verletzungen zu, dass er zu 48 Prozent invalide war.
Die Unfallversicherung verweigerte die Leistung, da der Junge durch das unbefugte Betreten des Grundstücks eine Straftat (Hausfriedensbruch) verwirklicht hatte – und bekam Recht (Az 25 U 875/22).
Zumindest vorläufiger Deckungsschutz in der Rechtsschutzversicherung
Wie so oft im Versicherungsrecht gibt es jedoch Ausnahmen von der Regel, dass eine Straftat den Versicherungsschutz kostet. Rechtsschutzversicherungen etwa können in bestimmten Fällen auch bei Strafverfahren helfen.
Ausgemacht ist dies aber nicht. Denn auch Bereich der Rechtsschutzversicherung lässt sich trefflich darüber streiten, ob die Gesellschaft die Leistung bei Vorliegen einer (vorsätzlichen) Straftat nicht doch verweigern kann. So musste sich etwa der Bundesgerichtshof (BGH) vor einiger Zeit mit der Frage befassen, ob die Rechtsschutzversicherung auch für Kosten geradestehen muss, die entstehen, wen ein Unternehmen einen (früheren) Mitarbeiter auf Schadenersatz in Millionenhöhe verklagt. Es warf dem Arbeitnehmer betrügerischer Abrechnungen zulasten des Arbeitgebers vor. Dieser bestritt die Anschuldigungen.
Dennoch lehnte die Rechtsschutzversicherung es ab, für die Kosten des Rechtsstreits aufzukommen. Das Argument: Gemäß Ziffer 5.5 Satz 1 ARB-MPM 2009 war der Rechtsschutz für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen aus Arbeitsverhältnissen ausgeschlossen, „soweit … ein ursächlicher Zusammenhang mit einer … vorsätzlich begangenen Straftat besteht.“
Aus Sicht der Gesellschaft lagen im konkreten Fall genügend begründete Anhaltspunkte für eine vorsätzlichen Straftat (und damit das vorsätzliche Verursachen des Versicherungsfalles) vor, so dass sie – bis zur endgültigen Klärung des Falles von der Leistung frei sei.
Der BGH bewertete den Fall anders und befand, dass Rechtsschutzversicherer verpflichtet sind, bis zur endgültigen Klärung des Vorliegens einer vorsätzlichen Straftat zumindest vorläufigen Deckungsschutz zu gewähren. Zudem sei es Sache der Versicherung, einen ursächlichen Zusammenhang des Versicherungsfalls mit einer vorsätzlich begangenen Straftat des Kunden zu beweisen (BGH, Az. IV ZR 324/19).
Seelische Schäden durch Strafverfolgung: BU muss zahlen
Bemerkenswert ist auch ein Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Karlsruhe. Danach ist es nicht als vorsätzlich verursachte Berufsunfähigkeit zu werten, wenn der Versicherte durch Maßnahmen der Strafverfolgung, insbesondere die Durchsuchung seines Hauses und die anschließende Untersuchungshaft) so schwere seelische Schäden davonträgt, die ihm die Ausübung seiner bisherigen beruflichen Tätigkeit nicht mehr möglich ist.
Einer Leistungspflicht des Versicherers steht es demnach auch nicht entgegen, wenn sich der Versicherte zum Zeitpunkt des Eintritts oder während des Fortbestehens der Berufsunfähigkeit sich in Untersuchungs- oder Strafhaft befindet (OLG Karlsruhe, Az. 12 U 5/15)
Kommentar von Jürgen Wahl, Fachanwalt für Versicherungsrecht:
Die ausgewählten Urteile zeigen, in welch unterschiedlichen Fällen sich Versicherer auf einen Leistungsausschluss wegen einer vorsätzlichen Straftat berufen können – und dass sie damit längst nicht immer Erfolg haben. Ein spezialisierter Rechtsanwalt für Versicherungen kann in solchen Konstellationen helfen, die Erfolgsaussichten eines Rechtsstreits einzuschätzen und Kunden auch in schwierigen Fällen zu ihrem Recht zu verhelfen.
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