Versicherer müssen Beendigung von Leistungen begründen
Versicherungsunternehmen dürfen Leistungen von Berufsunfähigkeitszusatzversicherung nicht ohne weiteres beenden. Das OLG Celle hat in einer Entscheidung (Az. 8 U 139/18) für die Beendigung von Leistungen bestimmte Erfordernisse hinsichtlich der Begründung aufgestellt. Der Versicherte muss nämlich seine Prozessrisiken überblicken können, wenn er erwägt gegen die Versicherung zu klagen. Dies kann er nur mit einer ausreichenden Begründung der Versicherung und Akteneinsicht, so das OLG Celle.
Forstwirt verunfallte, Versicherung leistete zunächst – der Sachverhalt
Ein selbstständiger Forstwirt verunfallte im Jahre 2013. Der Forstwirt hatte bei einem Versicherungsunternehmen eine Lebensversicherung mit eingeschlossener Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung (BUZ) abgeschlossen. Der Unfall, bei dem Forstwirt Knochenbrüche im Bereich der Wirbelsäule und des Unterschenkels erlitt, hatte eine Berufsunfähigkeit zur Folge.
Versicherung erkennt Leistungen zeitlich unbefristet an
Nach seinem Unfall erkannte die Versicherung die Berufsunfähigkeit schriftlich an und sicherte dem Kläger Leistungen aus der Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung zeitlich unbefristet zu. Etwa ein Jahr später entzog die Versicherung dem Kläger allerdings die Leistungen, da die Versicherung der Auffassung war, die Voraussetzungen für die Versicherungsleistung lägen nicht mehr vor. Nach unterschiedlichen Auskünften der behandelnden Ärzte würde eine Verminderung der beruflichen Leistungsfähigkeit aufgrund der unfallbedingten Einschränkungen nicht mehr vorliegen. Somit stellte die Versicherung die Leistungen im November 2014 ein.
Zur Rechtslage
Die Berufsunfähigkeitsversicherung zahlte in diesem Fall, da die Leistungsfähigkeit des Klägers hinsichtlich seiner beruflichen Tätigkeit unter 50 % gefallen ist. D.h. er ist nicht mehr in der Lage mindestens 50% seiner Tätigkeit nachzugehen. Da die Versicherung diesen Schadensfall nun zeitlich unbefristet und somit ohne Einschränkungen anerkannt hat, ist die Rücknahme der Versicherungsleistung nicht ohne weiteres möglich. Die Klauseln im Versicherungsvertrag und in den Besonderen Bedingungen für die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung (abgekürzt BUZ) sehen zwar keine Anforderungen für Beendigung der Leistungen vor. Der Kläger war jedoch der Meinung, dass eine Beendigung der Versicherungsleistung in der Form nicht möglich sei.
Der Forstwirt verklagt die Versicherung – wie die Gerichte entschieden
Das Landgericht Lüneburg und das Oberlandesgericht Celle (Az. 8 U 139/18) gaben dem klagenden Forstwirt Recht. Dieser argumentierte, dass schon keine ordnungsgemäße Einstellungsmitteilung vorläge, da diese nicht begründet war. Die Einstellungsmitteilung bezeichnet dabei das Schreiben der Versicherung mit dem diese die laufenden Leistungen beendet hat.
Rücknahme von Versicherungsleistungen müssen begründet sein
Die Gerichte entschieden dabei, dass solche Mitteilungen grundsätzlich begründet sein müssen. Zwar dürfe man die Begründungspflicht nicht überspannen, d.h. „zu viel“ Begründung verlangen. Andererseits muss es dem Versicherungsnehmer aber möglich sein, aus der Begründung zum Beispiel etwaige Prozessrisiken oder -chancen absehen zu können. Bei einer kurzen und pauschalen Begründung oder einer bloßen Mitteilung, dass die Versicherungsleistungen eingestellt werden, kann ein Versicherungsnehmer eben nicht mehr erkennen, wie gut oder schlecht die Chancen für eine gerichtliche Auseinandersetzung stehen.
Prozessrisiken müssen abschätzbar sein
Liegen zum Beispiel ärztliche Stellungnahmen oder Gutachten vor, auf die sich die Versicherung bezieht, so müssen diese dem Versicherungsnehmer auch zugänglich gemacht werden. Auch Vergleichsbetrachtungen, die die Einschränkungen in der Zeit des Unfalls und in der Folgezeit gegenüberstellen, müssen zugänglich sein, damit die Entscheidung der Versicherung für den Versicherungsnehmer transparent ist. Solche Unterlagen, die der Versicherte nicht kennt, führen nicht zu einer „Waffengleichheit“ zwischen Versicherung und Versicherungsnehmer.
Vergleichsbetrachtungen ärztlicher Einschätzungen reichen nicht als Begründung
Allerdings kann der Versicherer nicht nur ärztliche Vergleichsbetrachtungen als Begründung anführen, da diese immer auf den subjektiven Meinungen von Ärzten beruhen. Verschiedene Ärzte beurteilen ein und denselben Gesundheitszustand eventuell unterschiedlich und kommen zu unterschiedlicher Einschätzungen der beruflichen Beeinträchtigung, obwohl keine gesundheitliche Besserung eingetreten ist. Aber der Versicherer habe kein Recht eine solche unterschiedliche Ärzte-Meinung zur Begründung für die Beendigung der Leistungen heranzuziehen.
Was der Fachanwalt dazu sagt:
In diesem Fall waren zwei Dinge problematisch:
- Das OLG hat hier noch einmal klargestellt, welche Anforderungen an die Begründung einer Leistungsbeendigung für die Versicherung zu stellen sind. Der Versicherte muss klar seine Prozessrisiken abschätzen können und muss dafür Einblick in die ärztlichen Stellungnahmen und Gutachten erhalten. Nur dann kann man von einer „Waffengleichheit“ zwischen Versicherung und Versicherungsnehmer sprechen.
- Hier kam noch hinzu, dass die Versicherung das Anerkenntnis der Versicherungsleistungen uneingeschränkt ausgesprochen hat. Das heißt für die Versicherung gelten dann sehr enge Grenzen oder Anforderungen, um die Versicherungsleistung zu beenden, wenn die berufliche Leistungsfähigkeit weniger als 50 % beträgt. Die Anforderungen lagen aber hier nicht vor. Durch die zeitlich uneingeschränkte Anerkennung der Berufsunfähigkeit, nahm sich die Versicherung die Möglichkeit ihre Leistungen ohne weiteres einzustellen.
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