Berufsunfähigkeit bei Sporttrainern: ohne Ballwechsel keine Tätigkeit als Trainer möglich
Wenn ein Tennistrainer/Tennislehrer gesundheitlich nicht mehr in der Lage ist seinen Schülern einen Ballwechsel zu demonstrieren, dann liegt Berufsunfähigkeit vor, so das OLG Saarbrücken in seinem Urteil (Az. 5 U 42/19).
Selbstständiger Tennislehrer schließt Berufsunfähigkeitsversicherung ab – der Sachverhalt
Der Versicherungsnehmer übt seit 1981 die Tätigkeit als selbstständiger Tennistrainer/Tennislehrer aus. Er schloss eine Berufsunfähigkeitsversicherung ab, die vereinbarungsgemäß ab einer mindestens 50-prozentigen Berufsunfähigkeit Rentenzahlungen leisten sollte. Eine andere Ausbildung hatte der Versicherungsnehmer nicht.
Trainer wird berufsunfähig
2011 wurde festgestellt, dass der Tennislehrer wegen orthopädischer und psychischer Beschwerden berufsunfähig ist. Die depressiven Störungen allein haben bereits eine Berufsunfähigkeit hervorgerufen. Aber bereits durch die Erkrankungen der rechten Hand – Handgelenksarthrose, Knochenzysten im rechten Handwurzelknochen und Karpaltunnelsyndrom – ist die Berufsunfähigkeit begründet. Somit sei ihm die durch die hohe Schlagbelastung des Handgelenks, an einem normalen Arbeitstag als Tennislehrer etwa 1000-mal, die Arbeit als Tennislehrer nicht mehr möglich.
Versicherung will Berufsunfähigkeitsrente nicht ausbezahlen
Nachdem der Tennislehrer bei seiner Berufsunfähigkeitsversicherung Leistungen beantragt hat, habe diese die Leistungen nicht auszahlen wollen. Zum einen berief sich die Versicherung darauf, dass der Tennislehrer den Beruf des Tennistrainers schon vor der Berufsunfähigkeit nicht mehr in Vollzeit ausgeübt hätte. Man verwies den Tennistrainer zum anderen auf die Möglichkeit verschiedener Alternativberufe im Umfeld des Tennisbetriebs. Außerdem habe der Versicherungsnehmer an einem Tennis-Camp im Spanien im Jahr 2016 als Trainer teilgenommen. Hiergegen wand der Tennislehrer ein, dass er lediglich Konditions- und Koordinationsübungen unternommen habe, die nichts mit klassischen Tennisspielen zu tun hatte. Außerdem sollte sich der Tennistrainer nicht völlig aus dem Tennisbetrieb ausklinken, um seine psychischen Probleme zu überwinden. Daher brachte der Tennislehrer auch regelmäßig kleinen Kindern den Sport näher und machte mit ihnen Geschicklichkeitsspiele im Umfeld des Tennisplatzes.
Versicherung: Trainer-Tätigkeit bedeutet Anleitung und Trockenübungen, kein Ballwechsel
Die Versicherung vertrat die Meinung, dass ein Tennislehrer nicht so viele Bälle am Tag als Demonstration für seine Schüler spiele, so dass aufgrund der gesundheitlichen Probleme eine Berufsunfähigkeit nicht vorliege. Außerdem schlage ein Trainer vermutlich nicht Bälle mit voller Wucht, da es bei der Tätigkeit mehr darauf ankommt, die Spieler anzuleiten und auch „Trockenübungen“ ausreichend seien. Außerdem seien Aushilfstätigkeiten wie Platzwart oder Hausmeister dem Trainer zuzumuten.
Tennistrainer verklagt Versicherung – wie die Gerichte entschieden
Daher lehnte die Versicherung den Anspruch aus der Berufsunfähigkeitsversicherung ab. Der Tennislehrer klagte vor dem Landgericht Saarbrücken. Das LG sprach dem Kläger die vereinbarte Leistung aus der Versicherung zu, da zum einen die gesundheitlichen Voraussetzungen einer Berufsunfähigkeit vorliegen und die Alternativberufe dem Kläger nicht zuzumuten seien. Hiermit wollte sich die Versicherung allerdings nicht zufriedengeben und legte Berufung ein. Zum einen geht die Versicherung davon aus, den Kläger auf eine Aushilfstätigkeit verweisen zu können. Zum anderen bezweifelt die Versicherung die konkrete Ausgestaltung der ausgeübten Tätigkeit.
OLG: Tätigkeit ohne Einschränkungen ist entscheidend
Doch auch das OLG gab dem Kläger Recht und sprach ihm die Berufsunfähigkeitsrente zu. Es komme für eine Berufsunfähigkeit vor allem auf die Tätigkeit an, die ein Versicherungsnehmer vor Eintritt der Berufsunfähigkeit an gesunden Tagen ohne Einschränkung ausüben konnte. Der zeitliche Umfang oder die Höhe des Verdienstes spielen dabei keine Rolle. Es komme viel mehr auf den konkreten Beruf an, welcher als auf Dauer angelegte, dem Erwerb des Lebensunterhaltes dienende Tätigkeit, die dazu geeignet ist, die Lebensstellung des Versicherten zu prägen, gekennzeichnet ist.
Ballwechsel ist berufsprägendes Merkmal
Das OLG sieht durch Sachverständigengutachten bestätigt, dass dem Kläger die berufstypischen Tätigkeiten nicht mehr zuzumuten sind. Dabei sieht das OLG das permanente Schlagen der Bälle als eine berufsprägende Tätigkeit. Der Beruf kann aus Sicht des OLG nicht mehr ausgeübt werden, wenn der Kläger aufgrund der fortschreitenden Erkrankung des Handgelenks keine längeren Ballwechsel mehr ausführen kann. Wem er das Tennisspiel beibringen will, ist dabei unerheblich.
Was der Fachanwalt für Versicherungsrecht dazu sagt
In diesem Fall versuchte die Versicherung dem Versicherungsnehmer die Leistung aus der Berufsunfähigkeitsversicherung deshalb zu verwehren, weil sie das Schlagen von Tennisbällen und die Ballwechsel nicht als berufsprägend angesehen hat. Zwar ist es sicherlich auch möglich Tennisschülern „Trockenübungen“ vorzumachen, doch haben die Trockenübungen eines Tennislehrers für das Erlernen des Spiels eher wenig Nutzen. Und die Chancen neue Schüler zu gewinnen, obwohl man mit diesen keinen Ballwechsel spielen kann, sind eher gering und haben weder für den klagenden Tennislehrer noch für die Schüler einen Mehrwert.
Tennistrainer ist kein Aushilfsberuf
Die Versicherung versuchte letztlich noch Alternativberufe vorzuschlagen, welche mit größeren finanziellen Einbußen verbunden wären. Außerdem sind die vorgeschlagenen Alternativen allesamt Aushilfsberufe, die ohne Ausbildung ausgeführt werden können. Es mag zwar sein, dass ein Tennislehrer auch „nur“ Trainerlizenzen erlangt hat und dies keine klassische Ausbildung darstellt. Deshalb ist der Beruf des Tennislehrers jedoch nicht mit dem eine Aushilfsberuf vergleichbar.
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