Eigen- oder Fremdversicherung?

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Vater kassiert Berufsunfähigkeits-Rente der Tochter – zu Recht?

Viele Eltern schließen für ihre Kinder eine Versicherung ab und zahlen auch die Beiträge. Doch bedeutet das, dass ihnen im Ernstfall auch die Leistungen zustehen? Das hat der BGH nun einen außergewöhnlichen Fall entschieden.
Silvia K. war 17, als ihr Vater eine Berufsunfähigkeitsversicherung für sie abschloss. Der Versicherungsschein, bezeichnete das Mädchen als „versicherte Person“ und sah ein Bezugsrecht vor, nach dem die Versicherungsleistung im Erlebensfall an die versicherte Person zu zahlen sei.
Sieben Jahre nach Vertragsschluss, im Mai 2009, stellte die Gesellschaft rückwirkend zum November 2006 fest, dass die junge Frau inzwischen berufsunfähig geworden war und zahlte ihr– ebenfalls rückwirkend – eine Rente von 1.224 Euro pro Monat.
Nachdem seine Tochter zur Sozialhilfeempfängerin geworden war, widerrief der Vater allerdings deren Bezugsrecht und veranlasste, dass die BU-Rente ab März 2013 auf sein eigenes Konto floss. Der Sozialhilfeträger widersprach 2016 diesem Vorgehen und verlangte eine Rückzahlung der Sozialhilfeleistungen von mehr als 56.000 Euro für den Zeitraum von drei Jahren. Die Sache wurde streitig.
Die ersten beiden Instanzen entschieden, dass der Vater das Geld aus der BU behalten durfte. Bei dem fraglichen Vertrag handle es sich nicht um einen Versicherungsvertrag auf fremde Rechnung. Der Vater habe vielmehr als Unterhaltsberechtigter den Versicherungsvertrag geschlossen und die Beiträge gezahlt, er sei daher auch berechtigt, die Rente zu behalten. Der Bundesgerichtshof teilte diese Auffassung nicht und stufte den Vertrag stattdessen als Fremdversicherung ein (Az. IV ZR 4/19).

Schwierige Abgrenzung

Um eine Eigenversicherung des Versicherungsnehmers, in der die versicherte Person lediglich in den Vertrag einbezogen ist, von einer Versicherung für fremde Rechnung zu unterscheiden, kommt es nach Meinung der Karlsruher Richter entscheidend auf den Inhalt der getroffenen Vereinbarungen und die danach geschützten Interessen an.
Wenn also ein Versicherungsnehmer ein nahes Familienmitglied gegen die Folgen einer Berufsunfähigkeit absichert, sei – trotz einer bestehenden Unterhaltspflicht – nicht von einem reinen Eigennutzen auszugehen. Diese Annahme sah der BGH im konkreten Fall schon dadurch bestätigt, dass die BU-Versicherung der Tochter bis zu deren 60. Lebensjahr laufen sollte und damit den Zeitraum bei weitem überschritt, in dem der Vater für sie unterhaltspflichtig gewesen wäre.
Zwar könne der Vater als Versicherungsnehmer grundsätzlich über den Vertrag verfügen. Dieses Recht stehe ihm aber nur im Sinne eines Treuhandverhältnisses zu. Daher durfte er die ausgezahlte Leistung nicht für sich behalten, sondern war verpflichtet, sie an seine Tochter auszahlen zu lassen bzw. auszuzahlen. Das ihr eingeräumte Bezugsrecht war nach Eintritt des Versicherungsfalls im Jahr 2006 nicht mehr widerruflich, weil die Tochter den Anspruch auf die Rente mit Eintritt des Versicherungsfalls bereits erworben hatte.

Kommentar von Rechtsanwalt Jürgen Wahl:

Die Entscheidung des BGH belegt einmal mehr, wie komplex das Verhältnis von Sozialrecht und privaten Versicherungsrecht ist. Das gilt erst recht, wenn es um Verträge geht, bei denen Versicherungsnehmer und versicherte Person nicht identisch sind. Hier es besonders wichtig, die Versicherungsbedingungen genau zu überprüfen, um langfristige Rechtssicherheit für alle Beteiligten zu schaffen.

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