Gliedertaxe: Wann zahlen private Unfallversicherungen – und wieviel?
Wer wegen eines privaten Unfalls lange nicht zur Arbeit kann und deshalb Verdienstausfälle erleidet, sollte sich von seiner privaten Unfallversicherung keine Unterstützung erhoffen. Die nämlich springt nur ein, wenn der Kunde wegen des Unfall dauerhafte körperliche Schäden davonträgt. Welche Summen fließen, hängt in weiten Teilen von der Vertragsgestaltung ab. Mitentscheidend Faktor ist aber auch der Invaliditätsgrad des Betroffen. Er bemisst sich nach der sogenannten Gliedertaxe. Doch was genau verbirgt sich hinter diesem Begriff?
Wie es sich anhört, wenn Versicherungsexperten einen Schicksalsschlag in juristisch wasserdichte Definitionen gießen, lässt sich im Bereich der privaten Unfallversicherung besonders gut beobachten.
- Invalidität bedeutet danach zunächst die dauerhafte Beeinträchtigung der körperlichen oder geistigen Leistungsfähigkeit der versicherten Person durch einen Unfall.
- Als dauerhaft gilt eine Beeinträchtigung, wenn sie voraussichtlich länger als drei Jahre bestehen wird und eine Besserung des Zustands nicht zu erwarten ist.
- Die Invalidität muss zudem innerhalb von 15 Monaten nach dem Unfall eingetreten und von einem Arzt schriftlich festgestellt worden sein.
Grundversicherungssumme und Invaliditätsgrad entscheiden
Im Fall einer unfallbedingten Invalidität muss die Assekuranz dem Versicherten nach Maßgabe des abgeschlossenen Vertrages eine bestimmte Geldsumme überweisen. Als Berechnungsgrundlage ziehen die Gesellschaften dabei aber nicht nur die vereinbarte Grundversicherungssumme heran, sondern ermitteln auch den Grad der entstandenen Invalidität. Dafür wiederum greifen sie auf die sogenannte Gliedertaxe zurück, die festlegt, welchen Invaliditätsgrade der Verlust eines Körperteils in der Regel nach sich zieht.
Wichtig: Die Gliedertaxen können je nach Gesellschaft deutliche Unterschiede aufweisen. Kunden sollte darauf achten, dass der Versicherer ihrer Wahl nicht weniger leistet, als die (unverbindlichen) Richtwerte des Gesamtverbandes der deutschen Versicherungswirtschaft (GDV). Dessen Musterbedingungen (Stand: 25. März 2014) sehen folgende Invaliditätsgrade vor, wenn ein Kunde die genannten Körperteile oder Sinnesorgane verliert bzw. deren Funktionsfähigkeit einbüßt.
Körperteil | Invaliditätsgrad laut Empfehlung des GDV |
---|---|
Arm | 70 Prozent |
Arm bis oberhalb des Ellenbogengelenkes | 65 Prozent |
Arm unterhalb des Ellenbogengelenkes | 60 Prozent |
Hand | 55 Prozent |
Daumen | 20 Prozent |
Zeigefinger | 10 Prozent |
anderer Finger | 5 Prozent |
Bein über der Mitte des Oberschenkels | 70 Prozent |
Bein bis zur Mitte des Oberschenkels | 60 Prozent |
Bein bis unterhalb des Knies | 50 Prozent |
Bein bis zur Mitte des Unterschenkels | 45 Prozent |
Fuß | 40 Prozent |
großer Zeh | 5 Prozent |
andere Zehe | 2 Prozent |
Auge | 50 Prozent |
Gehör auf einem Ohr | 30 Prozent |
Geruchssinn | 10 Prozent |
Geschmackssinn | 5 Prozent |
Verliert ein Kunde nur einen Teil der genannten Körperteile bzw. erleidet er nur teilweise Einschränkungen in der Funktionsfähigkeit bestimmter Sinnesorgane, wird der Invaliditätsgrade entsprechend gemindert.
Ein Kunde hat eine Versicherungssumme von 100 000 Euro vereinbart. Bei einem Unfall verliert er seine rechte Hand und hat damit einen Invaliditätsgrad von 55 Prozent. Er kann damit einen Betrag von 55 000 Euro beanspruchen. Deutlich weniger Geld gibt es, wenn der Betreffende nach seinem nur eine Funktionsbeeinträchtigung seiner Hand von zehn Prozent erleidet. In diesem Fall liegt sein Invaliditätsgrad nur bei 5,5 Prozent (ein Zehntel von 55 Prozent). Die ausgeschüttete Summe läge dann bei 5500 Euro.
Wichtig: Sind durch einem Unfall andere, nicht von der Gliedertaxe erfasste Körperteile oder Sinnesorgane dauerhaft in ihrer Funktion beeinträchtigt, richtet sich die Bewertung der Invalidität danach, wie wichtig diese für die körperliche und geistige Leistungsfähigkeit des Versicherungsnehmers sind. Maßstab ist dann im Normalfall eine durchschnittliche Person gleichen Alters und Geschlechts.
Tipp von Fachanwalt Jürgen Wahl:
Damit Kunden schon bei geringen Invaliditätsgraden ein ausreichend hohe Leistung erhalten, empfiehlt es sich, eine möglichst hohe Grundinvaliditätssumme zu vereinbaren. Welche Beträge sinnvoll sind, richtet sich nach dem Lebensstandard und dem Bruttoeinkommen des Versicherten. Wichtig ist es zudem, darauf zu achten, dass die Gliedertaxe der gewählten Gesellschaft so gut wie möglich auf den eigenen Bedürfnisse zugeschnitten ist. Wer wegen seines Jobs besondere Ansprüche hat (etwa Berufsmusiker, Chirurgen oder Piloten) sollte sich nach speziellen Versicherungsangeboten für den eigenen Berufsstand erkundigen.
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