Ermessensausübung des Krankenversicherers bei Risikozuschlägen
§ 203 Abs. 1 VVG regelt, welche Prämie der Versicherer bei einer Krankenversicherung verlangen kann. Außer bei Verträgen im Basistarif kann der Versicherer nach § 203 Abs. 1 VVG mit Rücksicht auf ein erhöhtes Risiko (wie zum Beispiel Übergewicht, Vorerkrankungen etc.) einen angemessenen (!) Risikozuschlag oder einen Leistungsausschluss vereinbaren.
Die Angemessenheit des vom Versicherungsunternehmen verlangten Risikozuschlages ist gerichtlich überprüfbar. Allerdings sind der Überprüfbarkeit in materiellrechtlicher Hinsicht enge Grenzen gesetzt. Für die Festlegung der Höhe des Risikozuschlages hat das Versicherungsunternehmen einen weiten Ermessens- und Beurteilungsspielraum, der sich aus dem Grundsatz der Vertragsfreiheit ableitet, zumal das Versicherungsunternehmen die Risikoübernahme grundsätzlich auch völlig ablehnen kann, ohne dies gegenüber dem Versicherungsnehmer begründen zu müssen. Es besteht aber in der Rechtsprechung Einigkeit darüber, dass ein Risikozuschlag jedenfalls dann unwirksam sein soll, wenn er sittenwidrig hoch ist.
Bei der Frage der Angemessenheit des Risikozuschlages sind objektive wie subjektive Komponenten zu prüfen. Dies bedeutet: Zugrunde zu legen sind die Schadenserfahrungen und Schadenserwartungen des Versicherungsunternehmens für erhöhte Risiken gleicher Art. Gegebenenfalls muss das Versicherungsunternehmen im Streitfall diesen Erkenntnisstand darlegen und durch Geschäftsunterlagen so untermauern, dass gegebenenfalls ein sachverständiger Aktuar sie überprüfen kann. Darüber hinaus ist es zulässig, einen Sicherheitszuschlag zu erheben, den das betreffende Versicherungsunternehmen im Rahmen der Festsetzung von Risikozuschlägen allgemein einrechnet. Zu berücksichtigen sind aber auch die allgemeine Annahmepolitik und Geschäftspraxis des betreffenden Versicherungsunternehmens sowie die spezielle Annahmepolitik für den jeweiligen Tarif. Die Selektionspolitik (ob etwa ein Unternehmen beim Aufbau seiner Versicherungsbestände eine strenge Risikoselektion betreibt oder auch risikoträchtiges Versicherungsgeschäft akzeptiert) hat beträchtliche Auswirkungen auf die Höhe der Beiträge.
Ob die Risikoeinschätzung des Versicherungsunternehmens dem aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft entspricht, ist dabei unbeachtlich (so OLG Karlsruhe. VersR 2010, 788). Das Versicherungsunternehmen kann eigene Erfahrungswerte verwenden.
Eine Prüfung, ob ein Risikozuschlag noch als angemessen angesehen werden darf, ist nur durch einen Versicherungsmathematiker (Aktuar) möglich. Der Versicherungsnehmer kann dies im Rahmen eines gerichtlichen Klageverfahrens prüfen lassen. Als Fachanwalt für Medizinrecht und Fachanwalt für Versicherungsrecht verfügen wir über die notwendige Erfahrung und das erforderliche Fachwissen, um eine derart komplexe Prüfung anwaltlich zu begleiten.
– Rechtsanwalt –
Kanzlei für Medizin- und Versicherungsrecht
versicherungsrecht-offenbach.de
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