Smart Home und Versicherungsrecht
Smart-Home-Technologie verringert die Sorge ums eigene Heim, wenn man auf Reisen oder sonst außer Haus ist. Nicht immer sehen die Versicherer das jedoch ähnlich positiv. In manchen Fällen kann das Smart Home sogar selbst zum Risiko werden.
Das Zuhause aus der Ferne im Griff
„Wo ist schon wieder der Haustürschlüssel“, „Habe ich alle Fenster geschlossen, bevor ich die Wohnung verlassen habe?“, „Wie kalt es wohl zu Hause, wenn ich heimkomme?“ – viele dieser bangen Alltagsfragen sollen dank Smart-Home-Technologie der Vergangenheit angehören. Vernetzte Sicherheitstechnik ermöglicht die Steuerung und Kontrolle des Heims rund um die Uhr, auch aus der Ferne. Zum Beispiel lassen sich Fenster, Türen und Jalousien per App überwachen, Schlösser verriegeln, die Beleuchtung in den einzelnen Wohnräumen steuern und die Heizung einstellen. Auf dem Grundstück installierten Kameras oder Bewegungsmelder sind ebenfalls per Smartphone aus der Entfernung zugänglich.
Smart Home – mehr Risiko?
Smart Home ist vor allem für Menschen konzipiert, die viel unterwegs sind und gerne wissen wollen, ob zu Hause alles in Ordnung ist. Es ist zwar kein Sicherungsinstrument im engeren Sinne wie etwa ein Alarmsystem. Dennoch fühlen sich viele Käufer der Steuerungs- und Überwachungstechnik sicherer, weil sie ihre Immobilie durch die Vernetzung besser im Blick und im Griff haben.
Nun könnte man denken, dass die Einrichtung von Smart Home vom Versicherer mit Wohlwollen gesehen wird und sich in niedrigeren Prämien für Wohngebäudeversicherung oder Hausratversicherungen niederschlägt. Leider sehen Versicherungsunternehmen die Welt jedoch auf eine ganz eigene Art. Sie nehmen sehr genau wahr, dass Smart Home Risiken auch erhöhen kann.
Beispiele für erhöhte Risiken sind neben Fehlfunktionen – eine fehlerhafte Heizungsansteuerung sorgt für Frostschäden – vor allem Cyber-Risiken. Die vernetzte Haustechnik bietet mit eigener IP-Adresse und webfähiger Software naturgemäß Angriffsziele für Hacker. Ein besonders eklatantes Beispiel sind mangelhaft gesicherte, internetfähige Überwachungskameras (IP Cameras). IT-Sicherheitsspezialisten haben in jüngster Vergangenheit mehrfach Fälle aufgedeckt, in denen solche Kameras in großer Zahl von Hackern gekapert und in sogenannte Bot-Netze eingegliedert wurden, um für Cyber-Angriffen auf Dritte missbraucht zu werden. Hacker haben auch in anderem Zusammenhang immer wieder gezeigt, wie einfach es ist, in Sicherheitstechnik digital einzubrechen. Die Zutrittskontrolle über eine App lässt sich viel zu oft problemlos aushebeln.
Umgekehrt entfallen durch Smart-Home-Technik auf der anderen Seite herkömmliche Risiken, etwa die Gefahr, dass Unbefugte sich einen Nachschlüssel zu der Wohnung oder dem Haus verschaffen. Oder sie verringern sich, wie etwa das Szenario, dass ein Einbruch oder Vandalismus erst dann entdeckt werden, wenn der Besitzer der Immobilie nach Wochen aus dem Urlaub zurückkehrt.
Ungesichertes Smart Home – mögliche Gefahrenerhöhung der Wohngebäude- oder Hausratversicherung
Smart Home kann also neue Risiken digitaler Art für das Versicherungsobjekt schaffen. Aus versicherungsrechtlicher Sicht stellt sich damit die Frage: Bedeutet die Smart-Home-Installation eine sogenannte Gefahrerhöhung im Sinne des § 23 VVG Abs.1? Dann müsste der Versicherungsnehmer eine Einwilligung des Versicherers einholen. Hätte er Smart Home bereit installiert, müsst er dies dem Versicherer umgehend anzeigen. Sonst könnte der Versicherungsschutz gefährdet sein.
Derart allgemein Befürchtungen sind jedoch nicht angebracht. Die Installation von Smart Home stellt per se noch keine Gefahrerhöhung dar. Dafür müssen sich die Risiken durch die Installation so wesentlich ändern, dass der Versicherer die entsprechende Police nicht oder nicht zu dieser Prämie abgeschlossen hätte.
Das kann aber dann sehr schnell der Fall sein, wenn das Smart Home nicht sachgemäß installiert wurde oder die Komponenten keine ausreichenden Sicherheitsfunktionen aufweisen und deshalb kein ausreichender Schutz vor Hackerangriffen besteht. Konkrete Vorgaben und Rechtsprechung fehlen dazu im Moment noch. Derzeit gibt es auch noch keine herstellerübergreifenden Sicherheitsstandards für entsprechende Sicherungen.
Grundsätzlich kann man aber davon ausgehen, dass die üblichen Anforderungen an Cybersicherheit für Smart-Home-Installationen ebenfalls gelten. Dazu gehört eine sachgemäße Absicherung gegen digitale Angriffe. Außerdem sollte die IP-Kommunikation mit/im Smart Home über ein eigenständiges Netzwerk erfolgen, getrennt vom Internetzugang der Hausbewohner. Passwortschutz und Verschlüsselung sollten selbstverständlich sein, ebenso das Installieren von Software- und Firmware-Aktualisierungen. Andernfalls verstärkt sich die Gefahr für das versicherte Objekt laufend.
Kurz gesagt: Versicherungsnehmer sollten sich tunlichst um die Sicherheit ihres Smart Home kümmern.
Gilt eine Wohnung trotz Smart Home als unbewohnt?
Wenn eine ansonsten ständig bewohnte Wohnung länger als 60 Tage unbewohnt ist, gilt das in Bezug auf eine Hausratversicherung als Gefahrenerhöhung. (Im Einzelfall kann eine längere Frist im Versicherungsvertrag vereinbart werden.) Das macht es oft schwierig, eine Ferienimmobilie oder den Zweitwohnsitz zu bezahlbaren Prämien zu versichern. Gerade solche Objekte versuchen viele Versicherungsnehmer durch die Installation von Smart Home zu schützen und hoffen, die Klausel der Allgemeinen Hausratversicherungsbedingungen zum vorübergehenden Unbewohntsein dadurch außer Kraft zu setzen – schließlich ist der Eigentümer damit ja zumindest virtuell vor Ort.
Versicherer sehen das freilich anders: Smart Home kann die Anwesenheit von Personen nicht ersetzen. Trotzdem kann das Smart Home als Sicherung geeignet sein. Voraussetzung ist allerdings, dass es grundsätzlich so leistungsfähig ist, wie eine menschliche Beaufsichtigung des Objekts es wäre. Konkret: Die Technik muss bei Sicherheitsverletzungen Alarmmeldungen abgeben und es muss sichergestellt sein, dass dann zeitnah eine berechtigte Person vor Ort nach dem Rechten sieht.
Vergleichbares gilt im Übrigen für die Kontrolle der Beheizung, wenn das Gebäude nicht dauernd genutzt wird.
Anzeige- und Auskunftsobliegenheiten
Ist trotz der Installation eines Smart Homes ein Schaden an dem versicherten Objekt eingetreten, wird das Smart Home den Versicherungsnehmer in der Regel per SMS umgehend informieren und mitteilen, was sich ereignet hat, z. B. über einen Feueralarm, der durch einen vergessenen Topf auf der angeschalteten Herdplatte ausgelöst wurde. Ist das Smart Home so konfiguriert, dass zeitgleich eine Nachricht mit vergleichbarem Inhalt (Datum, Uhrzeit, Geschehensablauf, versichertes Objekt) an den Versicherer verschickt wird, hat der Versicherungsnehmer den Anforderungen an seine Anzeigeobliegenheiten nach § 30 VVG Genüge getan: Er hat die Versicherungsgesellschaft pflichtgemäß umgehend auf einen möglichen Schadensfall hingewiesen.
Anders sieht es derzeit noch im Hinblick auf die Auskunftsobliegenheiten aus. Der Versicherer kann nämlich vom Versicherungsnehmer alle Informationen verlangen, die zur Feststellung des Versicherungsfalles oder der Leistungspflicht des Versicherers nötig sind (§ 31 VVG). Bislang gelingt es selbst dem intelligentesten Smart Home noch nicht, dem Versicherer in dieser Beziehung alle möglicherweise notwendigen Auskünfte zu erteilen. Allerdings können vom Smart Home erstellte Logfiles oder Videoaufnahmen zu den Daten gehören, die der Versicherer zur Einsichtnahme beanspruchen kann.
Der Versicherungsnehmer hat nur dann alle Angaben zum Versicherungsfall vollständig und wahrheitsgemäß erteilt, wenn er gegebenenfalls angibt, dass die bereitgestellten Informationen weitgehend vom Smart Home erstellt worden sind.
Versicherungstarife für Smart Home
Es lässt sich absehen, dass spezielle Smart-Home-Versicherungstarife in der Gebäude- und Hausratversicherung nicht mehr lange auf sich warten lassen. Ziel ist es einerseits, die Vernetzung von Haushalten weiter voranzutreiben, andererseits jenen Versicherungsnehmern, die bereits über Smart Home verfügen, eine attraktive Prämie anzubieten. Denn eigentlich betrachten Versicherungsgesellschaften die Entwicklung zum (ausreichend gesicherten) Smart Home durchaus als erfreulich.
Smart Home und Wohngebäude- oder Hausratversicherung
Auch für die Versicherungen ist das Thema Smart Home im Moment noch Neuland. Umso wichtiger ist es, sich als Versicherungsnehmer bei Konflikten mit dem Versicherer von einem Rechtsanwalt beraten zu lassen, der das Versicherungsrecht sehr genau kennt und weiß, welche Klauseln und Argumente der Versicherungsgesellschaften einer rechtlichen Überprüfung nicht standhalten.
Rechtsanwalt Jürgen Wahl ist Fachanwalt für Versicherungsrecht und Fachanwalt für Medizinrecht. Sie erreichen ihn unter der Telefonnummer 069 8237 6642 oder per E-Mail unter info@ra-med.de
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