Zahlt die private Unfallversicherung bei einem Bandscheibenvorfall?
Gewollte Bewegungen und ungewollte Folgen.
Ein Unfall liegt vor, wenn die versicherte Person durch ein plötzlich von außen auf ihren Körper wirkendes Ereignis (Unfallereignis) unfreiwillig eine Gesundheitsschädigung erleidet. Erfasst sind zudem Gesundheitsschädigungen, die aus einer erhöhten Kraftanstrengung resultieren, etwa Verrenkungen von Gelenken an Gliedmaßen oder der Wirbelsäule sowie Zerrungen und Risse von Muskeln, Sehnen, Bändern oder Kapseln. Doch was gilt, wenn die Krafteinwirkung nicht durch ein schicksalhaftes Ereignis, sondern durch den Versicherten selbst erfolgt?
Die meisten Unfälle passieren zu Hause. Doch nicht immer, wenn sich ein Mensch in seinen eigenen vier Wänden – oder im Garten – verletzt, kann man von einem Unfall sprechen. Diese Erfahrung musste auch Mann aus dem Thüringischen machen, der beim Umgraben seines Gartens etwas zu beherzt zu Werke schritt und einen Bandscheibenvorfall erlitt, nachdem er stoßartig auf seinen Spaten getreten war. Als der Mann den Vorfall seiner privaten Unfallversicherung meldete, verweigerte diese die Leistung. Das Argument der Gesellschaft: Es liege kein Unfall vor.
Das Thüringer OLG bestätigte diese Auffassung (Az. 4 U 536/19) und verwies dabei auf § 178 Abs. 2 S. 1 VVG. Die Norm definiert einen Unfall als ein plötzlich von außen auf den Körper wirkendes Ereignis, durch das die versicherte Person unfreiwillig eine Gesundheitsschädigung erleidet. Im konkreten Fall kam es also darauf an, ob das Tatbestandsmerkmal „von außen kommend“ dadurch erfüllt wird, dass der Versicherte bei der Gartenarbeit stoßartig auf seine Spaten trat.
Wann wirkt eine Kraft „von außen“ auf den Körper ein?
Grundsätzlich ist es denkbar, dass auch Eigenbewegungen des Versicherten als „von außen auf den Körper wirkende Ereignisse“ qualifiziert werden – allerdings nur dann, wenn eben jene Eigenbewegungen in ihrem Verlauf nicht (vollständig) willensgesteuert ist. Das ist etwa der Fall, wenn der Versicherungsnehmer stolpert, strauchelt oder ausrutscht und sich dabei verletzt.
Demgegenüber ist eine Einwirkung von außen zu verneinen, wenn die Eigenbewegung vollständig willensgesteuert ist. – etwa bei einem koordinierten Tritt auf einen Spaten. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze kam das OLG Jena zu dem Ergebnis, dass der Mann in seinem Garten keinen Unfall erlitten habe.
Fazit von Fachanwalt Jürgen Wahl:
Für die Betroffenen ist es unerfreulich, doch private Unfallversicherungen schließen eine Leistungspflicht bei Bandscheibenvorfälle normalerweise aus – mit dem Segen der Rechtsprechung. Eine Ausnahme bilden Fälle, bei denen der Unfall mit einem Anteil von mehr als 50 Prozent den Vorfall verursachte. Selbst Kunden, die bereits degenerative, wenn auch symptomlose, Vorschädigungen hatten, können dann auf Geld von der Unfallversicherung hoffen, und zwar selbst dann, wenn die Gesellschaft eine Leistungspflicht zunächst verneint. Voraussetzung ist allerdings, dass die Betroffenen ein medizinisches Gutachten vorlegen, das eindeutig belegt, dass der Bandscheibenvorfall die Folge eines Traumas ist, das der Patient während seines Unfalls erlitten hat.
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