Berufsunfähigkeitsversicherung schützt alle Berufe – vom Hausmann bis zur Vorstandsvorsitzenden

Berufsunfähigkeitsversicherungen zahlen im Normalfall die vertraglich vereinbarte Rente, wenn ein [...]

Autor:

Jürgen Wahl

Veröffentlich am:

19. Juni 2025

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Berufsunfähigkeitsversicherungen zahlen im Normalfall die vertraglich vereinbarte Rente, wenn ein Versicherungsnehmer zu mindestens 50 Prozent nicht mehr in der Lage ist, seiner zuletzt konkret ausgeübten berufliche Tätigkeit nachzugehen, dieser Zustand für mindestens sechs Monate anhält und auf gesundheitliche Probleme zurückzuführen ist.

Das bedeutet, dass der Beruf, den eine Person einmal erlernt hat, nicht unbedingt ausschlaggebend für eine Berufsunfähigkeit und damit für den Anspruch gegen die Versicherung ist. Aus gutem Grund: In Zeiten des lebenslangen Lernens und der Digitalisierung wäre es lebensfremd zu erwarten, dass eine Person von der Ausbildung bis zum Rentenalter in ein und demselben Job arbeitet. Zudem muss die Berufsunfähigkeitsversicherung auch dann bezahlen, wenn eine Person eine Tätigkeit ausübt, die keinem anerkannten Lehrberuf entspricht. Nicht nur Lehrer, Schreiner, Rechtsanwälte oder kaufmännische Angestellte üben daher einen Beruf aus. Auch wer beispielsweise als Hausfrau oder Hausmann arbeitet oder im Vorstand eines Unternehmens sitzt, kann berufsunfähig werden, obwohl es keinen vorgeschriebenen Werdegang für diese Berufe gibt.

Eine Verengung des Begriffs „Beruf“ nur auf die Berufsbezeichnung wäre auch deshalb falsch, weil innerhalb eines bestimmten Berufsbildes meist unterschiedliche Ausgestaltungen existieren. So gibt es beispielsweise Architekten oder Bauzeichner, die überwiegend am Computer sitzen und planen, während andere die meiste Zeit auf Baustellen unterwegs sind. Ärzte können das Gros ihrer Tätigkeit als Gutachter verbringen – oder sich im Schichtdienst im Krankenhaus die Nächte um die Ohren schlagen.

Diese Mindestanforderungen stellt die Rechtsprechung an einen Beruf

Entsprechend wird bei der Frage, ob ein Versicherungsnehmer Anspruch auf eine Rente wegen Berufsunfähigkeit hat, nicht auf dessen erlernten Beruf abgestellt. Stattdessen müssen die Gesellschaften auch die berufliche Entwicklung des Versicherungsnehmers nach Vertragsschluss berücksichtigen.

Bestimmten Mindestvoraussetzungen muss die zuletzt ausgeübte Tätigkeit aber doch genügen. So gilt als Beruf nur eine auf Dauer angelegte, dem Erwerb des Lebensunterhalts dienende und nicht nur einmalige Tätigkeit im Rahmen der Sozialordnung. Weiter verlangt die Rechtsprechung, dass diese Tätigkeit die Lebensstellung des Versicherten bereits geprägt hat (Az. BGH, Az. IV ZR 344/94).

Entscheidend für die Berufsunfähigkeit sind die Tätigkeiten, die einem Beruf sein Gepräge geben

Ein weiterer wichtiger Faktor für die Beurteilung, was als „Beruf“ im Sinne der Berufsunfähigkeitsversicherung gilt: die Dauer, für die der Betreffende ihn ausgeübt hat. Entsprechend hat der Bundesgerichtshof (BGH) festgestellt, dass für eine Berufsunfähigkeit nicht nur auf den Zeitanteil einer einzelnen Tätigkeit abgestellt werden darf, die der Versicherungsnehmer nicht mehr ausüben kann. Das gilt jedenfalls dann, wenn diese Tätigkeit untrennbarer Bestandteil eines beruflichen Gesamtvorgangs ist (BGH, Az. IV ZR 535/15).

Eine Berufsunfähigkeit besteht deshalb erst, wenn ein Versicherter, der bestimmte Teilaufgaben seines Berufs noch erledigen kann, wegen seiner gesundheitlichen Probleme gerade auf jene Tätigkeiten verzichten muss, die für seinen Beruf prägend sind (BGH Az.  IV ZR 535/15).  „Wenn dies nicht mehr möglich ist, kommt es nicht mehr darauf an, welchen zeitlichen Anteil an der Gesamttätigkeit diese Aufgaben einnehmen und welche anderen, der Kerntätigkeit untergeordneten Tätigkeiten ein Kunde noch ausführen kann“, sagt Jürgen Wahl, Fachanwalt für Versicherungsrecht in Offenbach.

Ein Bademeister, der aufgrund gesundheitlicher Probleme nicht mehr tauchen darf, kann daher seinen Beruf nicht mehr ausüben, da Rettungsschwimmen (auch unter Wasser)  für seinen Beruf prägend sind. An seiner Berufsunfähigkeit ändert auch die Tatsache nichts, dass er zur Überwachung der Schwimmbad-Besucher vom Beckenrand aus nach wie vor imstande ist.

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