Berufsunfähigkeitsversicherung: Nicht jeder neue Job kostet die Rente

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Ein gutes Gehalt ist eine feine Sache. Wertschätzung verlangt aber mehr als nur eine üppige Bezahlung. Wer in seinem alten Job berufsunfähig ist, muss sich daher nicht nur wegen des Geldes auf eine andere Tätigkeit verweisen lassen.
Sinn einer Berufsunfähigkeitsversicherung ist es, den individuellen und sozialen Abstieg im Berufsleben und in der Gesellschaft zu verhindern. Je nach Vertrag dürfen Assekuranzen ihre Kunden aber auf einen anderen als den ursprünglichen Beruf verweisen, wenn die Gesundheit es zulässt (sogenannte „konkrete Verweisung“).
Das wirft die Frage auf: Wann kommt ein neuer Job als „Vergleichstätigkeit“ in Frage?
Hierüber lässt sich trefflich streiten. Denn die soziale Stellung, die maßgeblich für eine konkrete Verweisung ist, hängt nicht allein von der Höhe des Einkommens ab, sondern auch vom Ansehen, das ein Beruf in den Augen der Öffentlichkeit vermittelt.

Hilfsarbeit als Ersatz für Lehrberuf?

So auch in einem Fall, den unlängst das Oberlandesgericht (OLG) Nürnberg entscheiden musste (Az. 8 U 2196/21). Der Versicherte, ein gelernter Konstruktionsmechaniker, war berufsunfähig geworden und hatte von seiner Gesellschaft zunächst die vereinbarte BU-Rente erhalten. Weil er zwischenzeitlich als Fahrer und Messgehilfe im bayerischen Landesamt für Vermessung tätig war, strich die Gesellschaft die Leistungen jedoch wieder – unter anderem mit dem Argument, der Kunde verdiene dort mehr als in seinem alten Job.
Der Mann selbst hingegen fand, die neue Arbeit sei keineswegs mit seinem alten Job vergleichbar. Er klagte. Das OLG Nürnberg musste nun prüfen, ob die konkrete Verweisung zulässig war und die neue Arbeit der bisherigen Lebensstellung sowie den Fähigkeiten und Erfahrungen des Kunden entsprach.
Damit diese Voraussetzungen erfüllt sind, darf die neue Erwerbstätigkeit keine deutlich geringeren Kenntnisse und Fähigkeiten erfordern als der alte Job. Auch darf die Vergütung sowie die soziale Wertschätzung der neuen Tätigkeit nicht spürbar unter das Niveau des bislang ausgeübten Berufs sinken (vgl. BGH, Az. IV ZR 434/15)
Die Tatsache, dass das Einkommen im neuen Job höher ist, als das bislang erzielte Gehalt, genügt hingegen nicht, um einen zulässigen Vergleichsberuf zu bejahen. Stattdessen sind bei die Frage nach der sozialen Wertschätzung verschiedene Faktoren zu berücksichtigen.

  • Faktor eins: Die Berufsausbildung.

    Ein Abschluss steigert in der Regel das soziale Ansehen eines Menschen. Selbst bei einem höheren Einkommen ist daher eine Tätigkeit „unterwertig“, wenn ein Kunde dafür überqualifiziert ist oder der neue Job nicht an den sozialen Status des alten heranreicht.
    Im Vergleich zum Beruf des Konstruktionsmechaniker ist das bei der Tätigkeit als „Messgehilfe und Fahrer“ der Fall. Der Versicherte wurde beim Landesamt nur vier Wochen angelernt und hat dabei die erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten für die Ausübung des Berufs erhalten.

  • Faktor zwei: Die Art der Tätigkeit.

    Nicht jeder Berufstätige ist gerne auf Reisen. Auch im Fall des OLG Nürnberg war der Versicherte in seinem Ursprungsberuf ortsfest am Wohnort beschäftigt. Die neue Aufgabe hingegen machte es erforderlich, dass er durch ganz Bayern reiste. Das stellt nach Meinung des OLG einen wesentlichen Unterschied in der Lebensstellung dar, weil der Mann nun nicht mehr in der Lage sei, zwischendurch auch einmal private Angelegenheiten vor Ort zu erledigen.

  • Faktor drei: Ansehen des Arbeitgebers.

    Eine Anstellung im öffentlichen Dienst bietet gegenüber einem Job in der freien Wirtschaft zwar viele Vorteile. Generell als höherwertig anzusehen ist sie aber nicht. „Eine derart überhöhte abstrakte ‚Strahlkraft‘ des Freistaates Bayern als Arbeitgeber in einem Angestelltenverhältnis ist an harten Fakten nicht festzumachen“, so das OLG und erteilte damit einem weiteren Argument der Versicherung eine Absage.

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