BU-Leistungspraxis 2021: Das lange Warten auf die Berufsunfähigkeitsversicherung
Wie oft lehnen Versicherer einen Leistungsantrag ab? Bei welchen Krankheitsbildern erkennen sie eine Berufsunfähigkeit am häufigsten ab? Und wie lange müssen sich Kunden gedulden, bis Geld fließt?
Für den Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) ist die Sache klar: „Die Berufsunfähigkeitsversicherung leistet zuverlässig“, schreibt die Lobby-Vereinigung in einer aktuellen Veröffentlichung. 81 Prozent aller Anträge würden bewilligt, nur ein Bruchteil der Fälle (2, 3 Prozent) lande vor Gericht.
Das klingt erst einmal beruhigend. Ein genauerer Blick auf die Zahlen verdeutlich jedoch, dass die Kommunikation zwischen Kunde und Versicherung noch deutliches Verbesserungspotenzial hat. Nach einer aktuellen Erhebung des verbraucherorientierten Analysehauses Franke und Bornberg werden zwar bei immerhin drei von vier Anträgen zugunsten der Kunden entschieden. Bis die Entscheidung fällt und die Berufsunfähigkeit anerkannt ist, vergeht im Mittel allerdings ein halbes Jahr. Für die betroffenen Kunden ist das nicht nur eine psychische, sondern vielfach auch eine erhebliche finanzielle Belastung.
Mühsamer Papierkrieg
Die Ursachen für den schleppenden Entscheidungsprozess sind vielfältig. Vielfach wird bereits zu Beginn des Prozesses wertvolle Zeit verschwendet, weil die Gesellschaften nach wie vor gedruckte Fragebögen versenden.
Doch auch inhaltlich gibt es immer wieder Probleme, denn Versicherte müssen Fragen zu ihrer Erkrankung, den bisherigen Behandlungsansätzen und ihre beruflichen Situation vor der gesundheitlichen Verschlechterung schildern müssen. Diese Verfahren ist nicht nur zeitaufwendig, sondern auch anfällig für Fehler. Gerade weil Versicherte auch ärztliche Befunde, Entlassungsberichte des Krankenhauses, Einkommensnachweise und Arbeitsverträge einreichen müssen, besteht die Gefahr, dass wichtige Informationen vergessen werden oder erst mit Verspätung beim Versicherer ankommen –die Bearbeitung des Antrags verzögert sich dadurch zusätzlich.
Bei den Versicherern, die Franke und Bornberg untersucht hat, dauerte es im Mittel 40 Tage, bis der Assekuranz alle angeforderten Informationen vorlagen. Für die Auswertung benötigten die Gesellschaften noch einmal etwa zwei Wochen – im Durchschnitt, wohlgemerkt. Vielfach müssen Versicherte in dieser entscheidenden Phase noch einmal nacharbeiten – sei es, weil Unterlagen oder Unterschriften fehlen oder die eingereichten Dokumente kein klares Bild ergeben.
Selbstläufer werden schnell entschieden
Immerhin: Bei eindeutigen Fällen – etwa Krebserkrankungen und Rezidiven – entschieden die untersuchten Versicherer meist, ohne bei Ärzten und/oder Kunden rückzufragen. Schnell arbeiten die Assekuranzen zudem, wenn sie einen Antrag ablehnen, weil eine Ausschlussklausel die Anerkennung der Berufsunfähigkeit verhindert
Umso zeitintensiver ist die Leistungsprüfung dafür bei Unfällen oder psychischen Erkrankungen. Das ist besonders misslich, weil letztere inzwischen die mit weitem Abstand häufigste Ursache für eine Berufsunfähigkeit sind.
Kommentar von Jürgen Wahl, Fachanwalt für Versicherungsrecht in Offenbach:
Verzögerungen bei der Antragsbearbeitung oder gar die Ablehnung der Leistung stellen Versicherte vor immense Probleme. Wer eine Berufsunfähigkeit feststellen lassen will, sollte sich daher bereits bei der Antragstellung fachkundig unterstützen lassen, um das Verfahren zu beschleunigen und den Gesellschaften keine Angriffsfläche zu bieten.
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