Berufsunfähigkeitsversicherung: BGH stärkt Rechte von Versicherten

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Was muss ein Versicherungskunde wirklich darlegen, um vor Gericht seine Berufsunfähigkeit zu beweisen? Der Bundesgerichtshof hat hierzu eine wichtige Entscheidung getroffen.
Es ist einer der ehernen Grundsätze des Zivilprozessrechts: Wer vor Gericht Erfolg haben will, muss die Tatsachen vortragen und zu beweisen, die den eigenen Anspruch begründen. Doch wie weit geht diese Anforderung im Verhältnis von Verbrauchern und Versicherungsgesellschaften? Diese Frage hatte vor Kurzem der Bundesgerichtshof (BGH) zu klären.
Konkret ging es um den Fall eines selbstständigen Zahntechnikermeisters, der eine Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung abgeschlossen hatte und von seiner Gesellschaft wegen orthopädischer Probleme die vereinbarten Zahlungen verlangte. Die Assekuranz verweigerte jedoch die Leistung. Das Argument: Der Kunde sei nicht zu mindestens 50 Prozent berufsunfähig. Diese Quote aber muss nach den Versicherungsbedingungen erreicht sein, um die Zahlung der vereinbarten Rente zu rechtfertigen.
Der Fall wurde streitig.

Tückisches Prozessrecht

Das Oberlandesgericht (OLG) Nürnberg gab zunächst der Assekuranz recht. Der Versicherte habe zwar vorgetragen, dass seine Haupttätigkeit in der handwerklichen Herstellung von Zahnersatz bestanden und die verbleibende Arbeitszeit sich vor allem auf Bürotätigkeiten und Besprechungen verteilt habe. Auch habe er ausgeführt, dass er seine Haupttätigkeit mittlerweile nur noch zu 50 Prozent ausüben könne.
Im Hinblick auf die nicht handwerklichen Tätigkeiten (etwa eine Stunde pro Tag Bürotätigkeit, etwa eine halbe Stunde pro Tag Termine bei Zahnärzten zur Besprechung des herzustellenden Zahnersatzes) habe er aber keine gesundheitlich bedingte Einschränkung dargelegt – und damit auch nicht die bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit von mindestens 50 Prozent.

Keine überzogenen Anforderungen an die Darlegungs- und Beweislast

Vor dem Bundesgerichtshof wendete sich das Blatt zugunsten des Zahntechniker. Die Karlsruher Richter hoben das Berufungsurteil auf und verwiesen die Sache zurück ans OLG. Dort habe man die Anforderungen an die Darlegungslast des Versicherten überdehnt und damit dessen Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt, so die Karlsruher Richter.
Sie verwiesen darauf, dass der Versicherte auch ausgeführt hatte, dass sich als Folge seiner Gesundheitsprobleme und der Reduktion seiner handwerklichen Tätigkeit der Zeitaufwand für die Bürotätigkeit und damit die Erforderlichkeit von Besprechungen in Zahnarztpraxen entsprechend verringere.
Der BGH führte weiter aus, dass eine Partei ihren Darlegungspflichten schon dann genüge, wenn sie Tatsachen vortrage, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet seien, das geltend gemachte Recht als bestehend erscheinen zu lassen. Genüge das Vorbringen einer Partei diesen Anforderungen, könne der Vortrag weiterer Einzeltatsachen nicht verlangt werden.
Der Vortrag des Zahntechnikers, wonach der Umfang seiner Bürotätigkeit und der Termine bei Zahnärzten von seiner handwerklichen Produktion abhänge und deren Reduktion sich entsprechend auf den Umfang der vor- und nachbereitenden Tätigkeiten auswirke, sei als Tatsachenbehauptung geeignet, die Rechtsfolge einer Berufsunfähigkeit von insgesamt 50 Prozent zu begründen, so der Senat. (BGH, Az. IV ZR 88/20).

Kommentar von Jürgen Wahl, Fachanwalt für Versicherungsrecht in Offenbach:

Die Entscheidung des BGH überzeugt. Sie belegt aber auch, wie streitanfällig gerade das Segment der Berufsunfähigkeitsversicherung ist. Aus Sicht des Versicherungsnehmers kann es daher sinnvoll sein, bereits den Leistungsantrag gegenüber der Assekuranz juristisch überprüfen zu lassen, um Ungenauigkeiten zu eliminieren und langwierige Auseinandersetzungen mit der Assekuranz zu vermeiden.

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