Berufsunfähigkeit: Aus Angst vor Covid nicht ins Büro – ein Fall für die BU?
Ein lungenkranker Versicherter stellt aus Furcht vor einer Corona-Infektion die Arbeit ein und beantragt eine BU-Rente. Die Versicherung verweigert die Zahlung. Es kommt zum Streit. Nun hat das Landgericht Münster ein Urteil gefällt.
Man kann zu Recht darüber diskutieren, ob deutsche Arbeitnehmer am Arbeitsplatz ausreichend vor einer Infektion mit Covid-19 geschützt sind. Wer jedoch aus Angst vor einer Ansteckung einfach zu Hause bleibt und die so entstehenden Verdienstausfälle von der Berufsunfähigkeitsversicherung ersetzt bekommen möchte, geht leer aus.
Das hat das Landgericht (LG) Münster entscheiden und damit das erste Urteil zum Thema „Corona und BU“ gefällt (LG Münster, Az. 115 O 150/20).
Plötzlich Risiko-Patient
Im konkreten Fall ging es um den Fall eines Mannes, der beruflich als Immobilien-Besichtiger tätig war. Der Mann ist im Besitz eine Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung, die in ihren Bedingungen folgende Definition enthält:
„Berufsunfähigkeit liegt vor, wenn die versicherte Person infolge Krankheit, Körperverletzung oder mehr als altersentsprechendem Kräfteverfalls, die ärztlich nachzuweisen sind, voraussichtlich mindestens sechs Monate ununterbrochen zu mindestens 50 Prozent außerstande sein wird, ihren zuletzt ausgeübten Beruf, so wie er ohne gesundheitliche Beeinträchtigung ausgestaltet war, auszuüben.”
Im Frühling des Pandemiejahres 2020 entdeckten Ärzte bei dem Versicherungsnehmer Rundherde in der Lunge. Weiteren Untersuchungen ergaben zwar keine Hinweis auf eine bösartige Veränderung. Auch Beschwerden hatte der Patient nicht.
Dennoch wurde ihm mitgeteilt, dass er ein potenziell erhöhtes Risiko für einen schweren Verlauf habe, sollte er sich mit SARS-CoV-2 infizieren. Ihm wurde daher empfohlen, sich strikt an die von Fachgesellschaften und dem Robert-Koch-Institut empfohlenen Hygienemaßnahmen zu halten und „Social Distancing” zu betreiben.
Der Mann nahm diese Empfehlung mehr als ernst. Um möglichst wenig Kontakte zu haben, legte er seine Berufstätigkeit nieder und beantragte bei seiner Gesellschaft Leistungen aus der Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung. Diese verweigerte jedoch eine Zahlung und verwies darauf, dass der Mann keine konkrete gesundheitlichen Einschränkungen nachgewiesen habe.
Daraufhin verklagte der Versicherungsnehmer die Assekuranz – ohne Erfolg.
Ansteckungsgefahr am Arbeitsplatz: Wann ist die Berufsausübung unzumutbar?
Auch das Landgericht Münster konnte nicht feststellen, dass der Kläger bedingungsgemäß berufsunfähig ist. Da seine pulmonalen Rundherde keine Beschwerden verursachten, bedeuteten sie keine maßgebliche Einschränkung der geistigen und körperlichen Leistungsfähigkeit. Auch eine Covid-19-Erkrankung sei im geltend gemachten Zeitraum nicht aufgetreten. Vielmehr habe der Immobilien-Experte nur vorsorglich seine berufliche Tätigkeit eingestellt, um eine Ansteckung zu vereiden. Die Einstellung der beruflichen Tätigkeit zur Verhinderung einer möglichen Infektion sei jedoch nach den Bedingungen für die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung nicht versichert.
Ein Immobilien-Besichtiger ist kein Intensivpfleger
Grundsätzlich, so das Gericht, könne eine bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit zwar auch dann vorliegen, wenn besondere Umstände eine Fortsetzung der Berufstätigkeit unzumutbar erscheinen lassen. Hierfür müsse jedoch ein spezifischer Zusammenhang zu den gerade aus der Berufstätigkeit herrührenden Gefahren bestehen. Das könne zum Beispiel dann der Fall sein, wenn ein Versicherungsnehmer ein deutlich erhöhtes Infektionsrisiko eingehen müsse, etwa bei einer Tätigkeit auf einer Covid- Station in einer Klinik.
Dieses Risiko bestehe bei einem Immobilien-Besichtiger allerdings nicht. Entsprechend sei die Infektionsgefahr im konkreten Fall nicht arbeitsplatzbezogen, sondern ein allgemeines Lebensrisiko. Zudem könne der Versicherte die Ansteckungsgefahr durch das Wahren von Hygienemaßnahmen, Abstandsregeln, sowie das Tragen von FFP-2-Masken und eine ausreichende Belüftung in den zu besichtigenden Räumlichkeiten deutlich senken.
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