Gebäudeversicherung muss Überschwemmungsschäden in Folge einer Sturmflut übernehmen

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Wird durch eine Sturmflut eine Überschwemmung ausgelöst und beschädigt ein Gebäude, kann sich die Gebäudeversicherung nicht auf den Ausschluss ihrer Leistungspflicht wegen Sturmflut berufen, auch wenn diese der mittelbare Auslöser war, so der BGH (Az. IV ZR 235/19).

Aufgestautes Wasser verursacht Schäden an einem Gebäude – der Sachverhalt

In Folge des Sturmtiefs Axel herrschte am 04./05. Januar 2017 an der deutschen Ostseeküste eine schwere Sturmflut. Diese brachte erhöhte Wasserstände mit sich. Durch die Rückstauungen des Flusses Warnow, welche mit der Ostsee direkt verbunden ist, kam es in einem Stadthafen zu Überschwemmungen mit Schäden an Gebäuden. Das betroffene Gebäude der Versicherungsnehmerin wurde im Zuge dieser Überschwemmung auch beschädigt.

13.500 Euro Schaden übernimmt die Gebäudeversicherung nicht

Für das Gebäude bestand eine Gebäudeversicherung mit einer Zusatzversicherung für Überschwemmungen. Ausgeschlossen waren u.a. Schäden, die durch Sturmfluten eingetreten sind. In Folge der Überschwemmung entstand an dem versicherten Gebäude ein Schaden von etwa 13.500 Euro. Die Versicherung lehnte die Übernahme der Schäden ab, weil die Schäden laut der Versicherung in Folge der Sturmflut aufgetreten sind und daher keine Überschwemmungsschäden darstellen.

Versicherungsbedingungen schließen Schäden durch Sturmflut aus

In den Versicherungsbedingungen sind Schäden durch Überschwemmungen und Rückstau, welcher z.B. dadurch entsteht, dass Wasser durch Ausuferung von oberirdischen Gewässern – also Seen oder Flüssen – in ein Gebäude eindringt und dort Schäden hinterlässt, mit in den Versicherungsleistungen eingeschlossen. Ausgeschlossen sind Schäden, welche durch Sturmfluten verursacht werden, ohne, dass Sturmfluten näher erklärt waren.

Drei Gerichte geben Versicherungsnehmerin Recht

In einer ersten gerichtlichen Auseinandersetzung urteilte das Landgericht Berlin zugunsten der Versicherungsnehmerin. Doch damit wollte sich die Versicherung nicht zufriedengeben und klagte zwei Mal gegen das Urteil des Landgerichts. Aber weder das Kammergericht Berlin, noch der Bundesgerichtshof konnten sich der Meinung der Versicherungsgesellschaft anschließen. Beide Gerichte sprachen der Versicherungsnehmerin die Schadenssumme zu, da es sich bei dem Schaden eben nicht um einen solchen handelt, der unmittelbar durch eine Sturmflut verursacht wurde.

Wann ist eine Sturmflut eine Sturmflut und wann nicht?

Eine Sturmflut, wie sie in den Versicherungen ausgeschlossen ist, liegt nur vor, wenn zwei Voraussetzungen vorliegen. Zum einen muss das Wasser an Meeresküsten und in Flussmündungen außergewöhnlich hoch ansteigen. Zum anderen muss das Ansteigen des Wassers bedingt sein durch einen auflandigen Sturm. Dies erscheint hier aber gerade nicht passiert zu sein, selbst wenn man die Ostsee auf den Anwendungsbereich der Ausschlussklausel erstrecken würde. Da sich das versicherte Haus aber 16 km von der Ostsee entfernt am Fluss Warnow liege, sind die eingetretenen Schäden nicht durch die Sturmflut entstanden.

Zweck eines Leistungsausschlusses muss für Versicherungsnehmer erkennbar sein

Es lag hier viel mehr eine Ausuferung der Warnow vor und kein Eindringen von Ostseewasser bis in das Küstenhinterland. Durch starke Winde konnte der Fluss nicht mehr in seinem Flussbett entlang fließen und in die Ostsee münden. Durch die entstandenen Anstau des Flusswassers trat der Fluss dann im Landesinneren über die Ufer. Somit kann die Sturmflut nur als mittelbare Ursache gesehen werden. Eine solche mittelbare Ursache kann kein Grund für einen Leistungsausschluss sein, da sich aus Wortlaut, Sinnzusammenhang und dem für den Versicherungsnehmer erkennbaren Zweck ein Eingreifen der Ausschlussklausel nicht ergeben kann.

Mangels Definition einer Sturmflut muss ausgelegt werden

Da der Zweck eines Leistungsschlusses für den Versicherungsnehmer erkennbar sein muss, muss durch Auslegung hinterfragt werden, was ein Versicherungsnehmer bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs unter dem Begriff der Sturmflut versteht. Definiert war der Begriff einer Sturmflut nicht.

Mittelbare Auswirkungen einer Sturmflut sind für Versicherungsnehmer nicht erkennbar

Der durchschnittliche Versicherungsnehmer wird der Klausel entnehmen, dass Schäden aufgrund einer Sturmflut dann ausgeschlossen sind, wenn etwa die Sturmflut Seewasser über Deiche oder in Flüsse drückt und hieraus Schäden entstehen. Einen Versicherungsausschluss wird ein Versicherungsnehmer nicht entnehmen, wenn die Schäden lediglich durch mittelbare Folgen einer Sturmflut ausgelöst werden und die Sturmflut einem Fluss die Möglichkeit nimmt in die Ostsee abzufließen. Solche lediglich mittelbaren Auswirkungen der Sturmflut werden von einem durchschnittlichen Versicherungsnehmer nicht so aufgefasst, als dass dies von dem Ausschlusstatbestand erfasst wäre.

Fazit von Fachanwalt Jürgen Wahl

Hier war zwischen der Versicherung und der Versicherungsnehmerin streitig, ob die Überschwemmung oder die Sturmflut das Gebäude überflutet hat. Die Versicherung vertrat hier die für sie bessere Erklärung, warum das Gebäude überflutet wurde. War nämlich die Sturmflut Schuld an den Schäden, hätte sie nicht leisten müssen. Bei einem Gebäude, was 16km landeinwärts liegt, ist dies aber eher ungewöhnlich, denn Sturmfluten sind Phänomene, die an der Küste vorkommen. Zwar wurde durch die Sturmflut das Flusswasser gestaut und traf deshalb über die Ufer und beschädigte das Gebäude der Versicherungsnehmerin, aber die Sturmflut war nur der mittelbare Auslöser.

Versicherungsbedingungen prüfen lassen!

Wenn sich Versicherungen auf ihre Bedingungen berufen und Schäden nicht tragen, sollten Sie sich von einem Fachanwalt für Versicherungsrecht beraten lassen. Häufig kommt es nämlich für die Gerichte darauf an, was ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer unter den Begrifflichkeiten versteht. Fachwanlt Jürgen Wahl berät und betreut Sie in einem Verfahren gegen ihre Versicherung kompetent und umfassend.

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