Sturmflut: Dieses Urteil sollten Hausbesitzer in Küstennähe kennen
Viele Versicherungen gegen Überschwemmungen enthalten einen Leistungsausschluss für Schäden, die durch eine Sturmflut verursacht werden. Doch wann ist eine solche Ausschlussklausel einschlägig?
Leben am Wasser hat für viele Menschen eine besondere Qualität. Ein Haus in Küstennähe ist aber auch besonderen Risiken ausgesetzt – zum Beispiel durch Sturmfluten.
Unter diesem Begriff versteht der Deutsche Wetterdienst „ein ungewöhnlich hohes Ansteigen des Wassers an Meeresküsten und Tidenflüssen“, das durch das Zusammenwirken verschiedener Faktoren bewirkt wird. Sturmfluten entstehen oft im Kontext mit Sturmwetterlagen, bei denen Wassermassen in einem großen Winkel auf die Küstenlinien zugetrieben werden – und dort oft verheerende Schäden anrichten.
Aus diesem Grund enthalten selbst Versicherungsverträge, die grundsätzlich einen Schutz vor Naturgefahren vorsehen, regelmäßig einen Leistungsausschluss für Schäden, die durch eine Sturmflut verursacht werden.
Doch wann ist ein Schaden durch eine Sturmflut verursacht – und wann ist er nur deren mittelbare Folge? Diese Frage ist für den Versicherungsschutz von Überschwemmungsopfern von elementarer Bedeutung – ebenso ein Urteil des Bundesgerichtshofs, der bereits vor einigen Jahren über die Reichweite einer Ausschlussklausel befinden musste.
BGH entscheidet zugunsten des Versicherungsnehmers
Im konkreten Fall ging es um einen Schaden im Zusammenhang mit der Sturmflut in der Nacht vom 04. auf den 05.01.2017 in Rostock. Durch auflandigen Wind stieg das Wasser damals auf bis zu 1,60 Meter über den mittleren Wasserstand. Entsprechend konnte das Wasser der Warnow nicht abfließen und staute sich landeinwärts.
Dieser Rückstau wurde einem Hauseigentümer zum Verhängnis, dessen Haus im Stadthafen von Rostock und damit direkt an der Warnow liegt – aber rund 16 Kilometer von der Ostsee entfernt. Durch den Rückstau trat der Fluss aber selbst dort über die Ufer und überflutete das Haus und das Grundstück des Versicherungskunden.
Sturmflut nur direkt am Meer?
Der Mann meldete den Schaden seiner Wohngebäudeversicherung, erhielt jedoch eine Absage. Dabei verwies die Gesellschaft auf die Vertragsbedingungen, die einen Leistungsanspruch bei Schäden enthielten, wenn diese durch Überschwemmung oder Rückstau entstehen. Zudem sah das Regelwerk auch bei Schäden durch „Sturmflut“ keine Regulierung vor.
Der Kunde wollte das nicht hinnehmen und klagte – mit Erfolg. Wie bereits die Vorinstanzen entschied auch der Bundesgerichthof zu seinen Gunsten. Die Karlsruher Richter befanden, dass der im konkreten Fall eingetretenen Nässeschaden eine Überschwemmung im Sinne der Bedingungen darstelle – und damit ein versichertes Risiko (BGH, Az. IV ZR 235/19).
Was eine Sturmflut ausmacht, ist klar definiert
Im konkreten Fall seien die Voraussetzungen für den Leistungsausschluss nicht erfüllt, so der BGH. Eine Sturmflut sei durch ein „ein außergewöhnlich hohes Ansteigen des Wassers an Meeresküsten und in Flussmündungen“ gekennzeichnet sei, das wiederum durch auflandigen Sturm verursacht werde.
Der Schaden am Haus des Versicherungsnehmers sei aber gerade nicht durch die Sturmflut verursacht worden, sondern durch eine vom Versicherungsschutz erfasste Überschwemmung. Diese Überschwemmung sei auch keine unmittelbare, sondern nur eine mittelbare Folge der Sturmflut, da letztere lediglich dazu geführt habe, dass die Warnow nicht in die Ostsee entwässern konnte. Erst durch diesen Umstand sei der Wasserpegel des Flusses gestiegen, was am Ende die Überschwemmung ausgelöst habe.
Kommentar von Jürgen Wahl, Fachanwalt für Versicherungsrecht:
Der Entscheidung belegt, dass viele Ausschlussklauseln in Wohngebäudeversicherungen für Überschwemmungen Interpretationsspielräume zulassen. Ihre Versicherung weigert sich, einen Überschwemmungsschaden zu zahlen? Sprechen Sie mich an. Ich berate sie kompetent und fair und helfe Ihnen, Ihre Rechte durchzusetzen. Notfalls auch vor Gericht.
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