Vorvertragliche Anzeigepflicht: Versicherung zieht alle Register – und scheitert

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Versicherungen führen vor Vertragsschluss regelmäßig Gesundheitschecks mit ihren Kunden durch, um die eigenen Risiken zu minimieren. Wer schummelt, riskiert den Verlust des Versicherungsschutzes. Doch auch die Gesellschaften müssen sich an die Spielregeln halten. Das belegt ein aktuelles Urteil, das Rechtsanwalt Jürgen Wahl erstritten hat.

Welche Vorerkrankungen, gesundheitsschädlichen Angewohnheiten und sonstige Details zu ihrem Gesundheitszustand müssen die Kunden offenbaren, die den Abschluss einer privaten Kranken- oder Pflegegeldversicherung anstreben? Diese Frage führt regelmäßig zu Streit zwischen den Gesellschaften und ihren Kunden. So auch in einem Fall, mit dem vor Kurzem Jürgen Wahl, Fachanwalt für Versicherungsrecht in Offenbach befasst war.

Im konkreten Fall ging es um Leistungen aus einer Pflegeversicherung. Versichert war ein Pflegegeld von 1500 Euro pro Monat. Der Kunde, der die Police über das Vergleichsportal Check24 abgeschlossen hatte, hatte im Vorfeld des Vertragsschlusses den Fragebogen der Versicherung ausgefüllt. Darin hatte er angegeben, dass er unter einer chronisch-obstruktiven Lungenerkrankung (COPD) leidet. Zudem hatte er darauf hingewiesen, dass er bereits zu 30 Prozent behindert ist und bereits eine Reha-Behandlung hinter sich hat. Auf Anfrage der Versicherung lieferte er zudem den Entlassungsbericht der Klinik nach – und erhielt wenig später die gewünschte Police.

Ab wann ist ein Nichtraucher Nichtraucher?

Ein Jahr später wurde der Mann in die Pflegestufe 3 eingestuft und verlangte Leistungen von der Versicherung. Die verweigerte die Zahlung. Sie argumentierte unter anderem damit, dass der Kunde vor Vertragsschluss die Gesundheitsfragen nicht vollständig beantwortet habe. So habe er zum Beispiel nicht darauf hingewiesen, dass sieben Jahre vor Vertragsschluss noch regelmäßig geraucht habe. Auch eine Schlafstörung habe er im Fragebogen nicht angegeben.
Der Kunde klagte und bekam vor dem Landgericht Hanau Recht (Az. 9 O 118/21). Die Kammer verneinte bereits eine Offenbarungspflicht des Versicherten, was dessen Tabakkonsum bis zum Jahr 2012 anbelangt. Mit Blick auf einen etwaigen Vorsatz des Klägers erscheine es zudem fernliegend, dass dieser zwar eine schwere chronische Lungenkrankheit angebe, einen Tabakkonsum, der mehr als sieben Jahre zurückliegt aber verschweige, um den Versicherer zu täuschen, so das Gericht.
Da die Tatsache, dass der Versicherte früher geraucht hat, auch im Entlassungsbericht der Reha-Klinik nachzulesen war, hätte die Versicherung zudem die Möglichkeit gehabt, auf diese Information zuzugreifen. In dem Bericht war unter dem Stichpunkt „Risikofaktoren“ und „Nikotin“ zu lesen, dass der Kläger zwar seit sieben Jahren Nichtraucher ist, davor aber ca. 1,5 Päckchen täglich konsumierte. „Nicht nur ein geschultes Auge, sondern auch ein durchschnittlicher Leser muss diesen Punkt wahrnehmen“, so das Gericht. Da der Versicherung somit alle relevanten Informationen vorlagen, konnte sie dem Versicherten keine arglistige Täuschung vorwerfen.
Auch im Verschweigen einer Schlafapnoe sah die Kammer keine arglistige Täuschung. Es sei bereits mehr als zweifelhaft, inwiefern sich der Verdacht einer solchen Diagnose tatsächlich als Entscheidungsgrundlage für einen Vertragsabschluss eigne. Da es aber ohnehin auch keinen Nachweis für eine schlafbezogene Atemstörung gab, lief auch dieses Argument ins Leere. Die Gesellschaft muss damit nicht nur die geschuldeten Versicherungsleistungen nachzahlen, sondern auch die Anwaltskosten ihres Kunden übernehmen.

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