Berufsunfähigkeitsversicherung und Nachfrageobliegenheit

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2008 hatte das OLG Saarbrücken (Az. 5 U 27/07) über einen Fall zu entscheiden, bei dem es um die Nachfrageobliegenheit der Berufsunfähigkeitsversicherung ging. Der Versicherer wollte hier vom Vertrag zurücktreten.

Gastwirtin schließt Berufungsfähigkeitsversicherung ab – der Sachverhalt

1997 schließt eine selbstständige Gastwirtin eine Berufsunfähigkeitsversicherung ab. Obligatorisch ist dabei die Beantwortung von sog. Gesundheitsfragen zu erfolgten Behandlungen oder Vorerkrankungen. Diese Fragen beantwortete die Gastwirtin im Beisein eines Generalagenten der Versicherung. Dieser drängte die Gastwirtin zur Bagatellisierung der vorhandenen Vorerkrankungen. Dem Generalagenten war bewusst, dass bei der Gastwirtin eine Arthroskopie des linken Kniegelenks vorgenommen wurde – sie gab zwar 1988 an, richtigerweise war diese jedoch 1992 und damit in dem 5-Jahres-Zeitraum, welcher für die Versicherung beachtlich ist. Die Gastwirtin wollte den genauen Zeitraum der Arthroskopie noch nachsehen, doch dies hielt der Generalagent für nicht notwendig. So wurde die Berufsunfähigkeitsversicherung durch den Generalagenten abgeschlossen.

Gastwirtin wird aufgrund Kniegelenksbeschwerden berufsunfähig


Nun kam es, wie es kommen musste, und die Gastwirtin konnte ihre Gastwirtschaft wegen einer Arthrose im rechten Knie nicht mehr weiterführen. Sie meldete diese Erkrankung ihrer Berufsunfähigkeitsversicherung im Jahr 2003. Zu Beginn des Jahres 2004 lehnte die Versicherung den Schadensfall ab und trat wegen der verschwiegenen Vorerkrankungen von dem ganzen Versicherungsvertrag rückwirkend zurück. Durch das Verschweigen der Arthroskopie und des möglichen Vorschadens im linken Knie, habe die Gastwirtin ihre Versicherung arglistig getäuscht.

Gastwirtin verklagt Versicherung – wie die Gerichte entschieden

Die Gastwirtin vertrat den Standpunkt, dass die bei der Antragstellung exakte Gesundheitsdaten nicht erhoben wurden und sie angeboten habe, solche beizubringen. Die arglistige – also vorsätzliche und absichtliche – Täuschung sei schon deshalb ausgeschlossen, weil sie u.a. auf alltägliche Erkrankungen und die Arthroskopie des linken Knies hingewiesen habe.

OLG: keine arglistige Täuschung – Ansprüche berechtigt

So sahen es auch das Landgericht und das Oberlandesgericht Saarbrücken. Schon das Landgericht hat erkannt, dass eine arglistige Täuschung nur dann vorliegen kann, wenn ein Antragsteller der Versicherung solche Umstände wissentlich und willentlich verschweigt, die gefahrerheblich sind. Dies bedeutet, um überhaupt arglistig zu täuschen, müssen der Versicherung alle Umstände verschwiegen werden, die dazu geeignet sind, dass der Versicherer sich eine unzutreffende Vorstellung über das Risiko bildet. Geht die Versicherung unter diesen falschen Vorstellungen den Versicherungsvertrag ein, liegt ein Mangel durch die Täuschung vor. Bei Kenntnis aller Umstände hätte die Versicherung dem Vertrag nämlich nicht zugestimmt.

Unzureichende Information ist unbeachtlich


Das OLG hat in seiner Entscheidung zwar auch festgestellt, dass die Klägerin ihre Versicherung nur unzureichend und teilweise auch falsch über Vorerkrankungen informiert hat, jedoch ist dies in diesem Fall nicht arglistig gewesen. Gerade weil die Kläger glaubhaft darlegen konnte, dass sie den Generalagenten der beklagten Versicherung über Vorerkrankungen informieren wollte und die Versicherung z.B. über die Arthroskopie Bescheid wusste, war das Verhalten der Versicherung nicht gerechtfertigt.

Behandlung am linken Kniegelenk nicht auf Beschwerden des rechten Knies übertragbar


Nach Meinung des OLG Saarbrücken (Az. 5 U 27/07) war der Rücktritt der Versicherung vom Versicherungsvertrag nicht gerechtfertigt. Die Klägerin kann wegen des rechten Knies und der Arthrose nicht mehr ihrem Beruf nachgehen. Hinsichtlich des rechten Knies hat die Klägerin keine Angaben bei Abschluss des Versicherungsvertrages gemacht, da dieses zu dem Zeitpunkt gesund bzw. nicht vorerkrankt war. Die beklagte Versicherung hätte aber in diesem Fall beweisen müssen, dass die Klägerin am rechten Knie behandelt worden ist, was nicht der Fall war. Die Beweislast für das Verschweigen eines gefahrerheblichen Umstands liegt beim Versicherungsunternehmen. Deshalb scheitert der Rücktritt aufgrund des rechten Knies.

Rücktritt schon wegen verpasster Nachfrageobliegenheit nicht möglich


Soweit das Versicherungsunternehmen sich bei dem Rücktritt vom Versicherungsvertrag auf die unterbliebene Angabe des genauen Datums der Arthroskopie des linken Knies versucht zu berufen, so scheitert auch dies. Hier wusste die Versicherung bei Abschluss der Versicherung von einer Untersuchung des Knies. Deshalb traf die Versicherung eine Nachfrageobliegenheit. Die Versicherung hätte aufklären müssen, wenn ihr Anhaltspunkte bekannt werden, dass die bislang erteilten Auskünfte und Informationen noch nicht abschließend oder nicht vollständig richtig sein können. Versäumt die Versicherung diese Nachfrage bei Abschluss der Versicherung, kann ein Rücktritt nicht bei Eintritt eines Schadens erklärt werden. Schon bei dem Zweck einer Arthroskopie als Spiegelung der inneren Bestandteile des Kniegelenks hätte der Versicherung klar sein müssen, dass eine Art von Erkrankung oder zumindest ein Verdacht darauf vorliegt. Eine Nachforschung fand jedoch auch hier nicht statt, obwohl die Pflicht dazu bestand.

Was der Fachanwalt dazu sagt:

In diesem Fall war wichtig, dass die Beschwerden des Kniegelenks, welches zur Berufsunfähigkeit führte, bei Vertragsabschluss nicht vorlagen. Die von der Klägerin falsch datierte Arthroskopie fand 5 Jahre vor Vertragsabschluss am anderen Kniegelenk statt. Hierauf konnte sich die Versicherung also nicht berufen. Hinsichtlich des arthroskopierten Kniegelenks hatte die Klägerin auf diese Untersuchung hingewiesen. Hier wäre es die Pflicht der Versicherung gewesen, nachzuforschen wie sich eine mögliche Erkrankung auf einen möglichen Eintritt der Berufsunfähigkeit auswirkt. Wäre der Vorschaden schon so groß gewesen, dass es nur eine Frage der Zeit wäre bis die Berufsunfähigkeit eintritt, so hätte die Versicherung den Abschluss des Vertrages wohl abgelehnt.
Insgesamt ist zu raten bei der Beantwortung der Versicherungsfragen sorgfältig vorzugehen und sich nicht drängen zu lassen. Bei diesem Sachverhalt ist zu vermuten, dass der bevollmächtigte Generalagent wohl auf einen schnellen Vertragsabschluss gedrängt hat, weshalb die Klägerin auch keine weiteren Gesundheitsdaten nachsehen konnte. Falsch oder unzureichend ausgefüllte Gesundheitsfragen können zum Verlust einer späteren Versicherungsleistung führen.

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