Wenn die Rechtsschutzversicherung nicht zahlt…
…kann eine Klage sich lohnen. Denn oft verweigern die Gesellschaften die Übernahme der Kosten zu Unrecht. Das beweist einmal mehr eine aktuelle Entscheidung im Fall eines geprellten Wirecard-Anlegers.
Recht haben und Recht bekommen ist zweierlei – dieses alte Sprichwort stimmt leider noch immer. Nicht zuletzt, weil so mancher Rechtssuchende das Kostenrisiko scheut, das mit einer Klage verbunden ist.
Wer im Fall der Fälle auf eine Rechtsschutzversicherung zugreifen kann, hat es zwar oft besser. Allerdings ist eine solche Police kein Garant für eine sorgen- und kostenfreie Rechtsdurchsetzung. Nicht nur müssen Kunden meist eine gewisse Wartezeit absolvieren, bevor die Gesellschaft ihre Rechtsanwalts- und Gerichtskosten übernimmt. Oft lehnen Rechtsschutzversicherungen die Kostenübernahme auch mit dem Argument ab, eine Klage sei „mutwillig“ oder habe nur „mangelnde Erfolgsaussichten“.
So erging es auch einem der vielen Kleinanleger, die im Zuge des Wirecard-Skandals zu Schaden gekommen sind, und sich nun die Frage stellen, ob sich ein Teil ihrer Verlust ersetzt bekommen können.
David gegen Goliath
Im konkreten Fall hatte der Anleger etwa einen Monat vor der Insolvenz des Unternehmens insgesamt 100 Aktien von Wirecard gekauft und dafür 8.724,90 Euro bezahlt. Wenig später musste der damalige Dax-Konzern allerdings die Veröffentlichung seiner Bilanz verschieben, da ihm 1,9 Milliarden Euro fehlten. Der Aktienkurs sackte ab, wenige Tage später meldete das Unternehmen Insolvenz an.
Rund einen Monat später stellte der geprellte Anleger einen Antrag auf Deckungszusage bei seiner Rechtsschutzversicherung – er wollte auf Schadenersatz gegen die ehemaligen Wirecard-Vorstände Markus Braun und Jan Marsalek klagen und auch die Wirtschaftsprüfer von Ernst & Young (EY) in Anspruch nehmen, die Wirecard geprüft hatten.
Die Versicherung lehnte die Kostenübernahme ab. Da die Klage mutwillig sei und keine Aussicht auf Erfolg habe, stünde der Kostenaufwand in einem groben Missverhältnis zum angestrebten Erfolg. Zudem reiche das Vermögen der angeklagten Vorstände nicht aus, um die Ansprüche aller Anleger zu befriedigen.
Sieg in beiden Instanzen
Das wollte sich der glücklose Investor nicht gefallen lassen. Er klagte und gewann sowohl vor dem Landgericht Mannheim als auch vor dem Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe.
Letzteres argumentierte, die Gesellschaft dürfe an die Erfolgsaussichten einer Klage Versicherer keine überspannten Anforderungen stellen. Sie seien vielmehr schon zu bejahen, wenn „der von einem Kläger vertretene Rechtsstandpunkt aufgrund seiner Sachdarstellung und der vorhandenen Unterlagen zutreffend oder zumindest vertretbar erscheint und in tatsächlicher Hinsicht die Möglichkeit einer Beweisführung besteht.“
Im vorliegenden Fall sei bereits die Einschätzung des Klägers vertretbar, dass für die Wirtschaftsprüfer von EY eine Haftung wegen vorsätzlich sittenwidriger Schädigung von Kapitalanlegern in Betracht komme. Ihnen wird unter anderem vorgeworfen, dass sie bei sogenannten Treuhandkonten für Drittpartner-Geschäfte keine Originalbelege anforderten. Auf diesen sollen angeblich die fehlenden 1,9 Milliarden Euro gelegen haben – später stellte sich das als falsch heraus.
Die Möglichkeiten des Prozessrechts nutzen
Auch bei den Klagen gegen die einstigen Vorstände von Wirecard sieht das OLG eine hinreichende Erfolgsaussicht. Dem stehe es nicht entgegen, dass Jan Marsalek mittlerweile untergetaucht ist, denn dieses Problem lasse sich mit einer öffentlichen Zustellung der Klage nach Paragraf 185 der Zivilprozessordnung überwinden, so das Gericht.
Dass das Vermögen der einstigen Manager nicht ausreiche, um die Ansprüche der Anleger zu befriedigen, habe die Versicherung nicht ausreichend belegt. So sei zum Zeitpunkt der Deckungsklage unklar gewesen, über welche Vermögenswerte Braun und Marsalek tatsächlich verfügen.
Die Rechtsschutzversicherung muss folglich für die Klage des geschädigten Wirecard-Anlegers eine Deckungszusage geben (OLG Karlsruhe, Az: 12 U 285/21).
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