Auch eine Relay Attack fällt unter den Einbruchsdiebstahlschutz der Hausratversicherung

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Offensichtliche Aufbruchspuren waren nicht erkennbar, als die Versicherungsnehmerin am nächsten Morgen das elektrische Garagentor öffnete und feststellen musste, dass mehrere Fahrräder und einige Werkzeuge entwendet worden waren. An den Kraftfahrzeugen der Familie waren die unbekannten Täter offensichtlich nicht interessiert gewesen, diese hatten sie links liegen lassen.

Die Versicherungsnehmerin meldete den Einbruchsdiebstahlschaden bei der SV SparkassenVersicherung Gebäudeversicherung AG, bei welcher sie eine Hausratversicherung unterhielt, in welcher auch die Fahrräder mitversichert waren. Obwohl die Versicherungsnehmerin und ihr Ehemann versicherten, dass sie die Fahrräder noch am Vorabend in der Garage gesehen hatten und das sie die Garage durch Bedienen der hierfür vorgesehenen Fernbedienung ordnungsgemäß verschlossen hatten, lehnte die SparkassenVersicherung einen versicherten Einbruchsdiebstahlschaden im Sinne der Versicherungsbedingungen der Hausratversicherung ab und zahlte aus Kulanz nur eine sehr geringe Entschädigung.

Die SparkassenVersicherung begründete ihre ablehnende Haltung mit der Behauptung, bereits das äußere Bild eines Einbruchdiebstahlschadens sei nicht hinreichend nachgewiesen. Eine hinreichende Spurenlage (Aufbruchspuren) sei nicht gegeben. Man könne nicht ausschließen, dass die Versicherungsnehmerin oder eine mitversicherte Person am Vorabend einfach vergessen habe, die Garage zu verschließen. Jedenfalls falle eine sogenannte Relay Attack nicht unter den Begriff eines Einbruchdiebstahlschadens oder eines Nachschlüsseleinbruches, sodass die Hausratversicherung bereits aus diesem Grunde nicht eintrittspflichtig sei. Dieser Argumentation folgte das Landgericht Darmstadt mit Urteil 26 O 268/21 vom 17.08.2023 nicht und verurteilte die Hausratversicherung zur Zahlung.

In seiner Entscheidungsbegründung führt das Landgericht Darmstadt aus, nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme und Anhörung der benannten Zeugen stehe zur Überzeugung des Gerichts fest, dass es in der Garage der Klägerin zu einem Einbruchsdiebstahl gekommen sei, bei dem Fahrräder und Werkzeuge entwendet wurden.

Das äußere Bild einer bedingungsgemäßen Entwendung sei hinreichend bewiesen. Hierfür genüge, dass der Versicherungsnehmer ein Mindestmaß an Tatsachen, die nach der Lebenserfahrung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit den Schluss auf eine versicherte Entwendung zulassen, darlegt und beweist. Zwar habe die Versicherungsnehmerin keine Einbruchsspuren aufzeigen können und auch eine Entwendung der Garagentüröffner sei nicht erfolgt, auch die zur Garage gehörende Tür sei am Morgen nach dem Diebstahl verschlossen gewesen und habe keine Einbruchsspuren aufgewiesen, dennoch sei vorliegend mit hinreichender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen worden, dass die Entwendung auf einen Einbruchsdiebstahl zurückzuführen sei.

Das Landgericht Darmstadt sah es als bewiesen an, dass das Garagentor unbefugt mittels Überwindung der implementierten Vorkehrungen geöffnet wurde, zum Beispiel durch Abfangen, Auslesen und nachgelagerter unberechtigter Verwendung des Signals des Funkschlüssels zum Garagentor. Eine derartige „Relay Attack“ sei im Bereich des Kraftfahrzeugdiebstahls bereits hinlänglich bekannt. Diese hebe sich von anderen Diebstahlmethoden dadurch ab, dass diese nicht die üblichen Einbruchsspuren hinterlasse, die für die Aufklärung des Diebstahls von besonderer Bedeutung seien.

Aus diesem Grund sah es das Landgericht Darmstadt als sachgerecht an, die Rechtsfigur „des Beweises für das äußere Bild“, die maßgeblich mit der Beweisnotsituation des Versicherungsnehmers begründet wird, auch in Fällen anzuwenden, die aufgrund moderner technischer Entwicklungen neue Beweissituationen für den Versicherungsnehmer mit sich bringen und versicherungstechnisch wie ein originärer Einbruchsdiebstahl zu behandeln sind. Hier sei von dem Erfordernis eines in sich stimmenden Einbruchsbildes abzusehen und stattdessen zu verlangen, dass der Versicherungsnehmer darlege und beweise, dass die Garage tatsächlich verschlossen gewesen sei und der Versicherungsnehmer den Nachweis erbringe, dass nicht versicherte Begehungsweisen nicht in Betracht kommen könnten und die behauptete Entwendung vorliegend nicht ausgeschlossen sei und typischerweise keine Spuren hinterlasse.

Indem die Klägerin beweisen konnte, dass die als gestohlen gemeldeten Sachen vor dem Diebstahl am angegebenen Ort vorhanden und danach nicht mehr aufzufinden waren, und da nach der Beweisaufnahme feststehe, dass das Garagentor der Klägerin unbefugt unter Überwindung der vorhandenen Sicherung geöffnet werden konnte, sah das Gericht dieses Minimum an Tatsachen als bewiesen an.

Das Garagentor habe einen sogenannten BiSecur-Verschlüsselungsmechanismus aufgewiesen. Dabei handee es sich um eine Überlagerung von zwei differenten Systemen, ein sogenannter „Rolling-Code“ und ein 128-Bit-Schlüssel. Ersterer könne bei Betätigung des Toröffners mit geeigneten Werkzeugen relativ einfach abgefangen werden. Da die Deckenzugantriebe dieses Typs bei dem klägerischen Garagentor-Modell unter einer bekannten Schwachstelle litten, war es vorliegend unproblematisch möglich, den Schlüssel auszulesen und zu entschlüsseln. Nach der Überzeugung des Gerichts sei das Auslesen des 128-Bit-Schlüssels für Sachkundige nicht mit außergewöhnlichen Schwierigkeiten verbunden. Dies erschließe sich bereits daraus, dass eine Schritt-für-Schritt-Anleitung für diesen Prozess bei dem klägerischen Anlagentyp im Internet publiziert worden sei.

Dem reproduzierten Signal sei eine Art Schlüsselfunktion zuzuschreiben, sodass das Signalabfanggerät bei Anwendung der Relay-Attack-Methode als ein anderes, nicht zum ordnungsgemäßen Öffnen bestimmtes Werkzeug im Sinne der Versicherungsbedingungen zu werten sei. Aber auch wenn man insoweit von einem „falschen Schlüssel“ im Sinne der Versicherungsbedingungen ausgehen würde, wäre der Versicherungsfall eingetreten, so das Gericht.

Das Landgericht Darmstadt verurteilte die SparkassenVersicherung zur Zahlung einer Gesamtentschädigung in Höhe von 11.019,90 Euro.

Es bleibt abzuwarten, wie andere Gerichte und letztlich der Bundesgerichtshof Einbruchsdiebstähle, die mit einer Relay Attack begangen wurden, im Kontext der Hausratversicherungen bewerten wird. Auch vor Einbrecherkreisen macht der technische Fortschritt nicht Halt. Es liegt an Versicherungsunternehmen und Gerichten, die häufig veralteten Versicherungsbedingungen an die neuen Gegebenheiten anzupassen oder zumindest zeitgemäß auszulegen.

Jürgen Wahl
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Medizin- und Versicherungsrecht
www.versicherungsrecht-offenbach.de

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