Erwerbsminderung nach Unfall: Diese Pflichten treffen den Geschädigten

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Wer bei einem Unfall verletzt wird, darf seinen Schaden durch eigenes Verhalten (oder Unterlassen) nicht verschlimmern. Doch welche Pflichten umfasst diese Schadensminderungspflicht genau? Ein aktuelles Urteil des BGH gibt Aufschluss.
Im konkreten Fall ging es um einen Mann, der unverschuldet bei einem schweren Verkehrsunfall zu Schaden kam. Seine erheblichen Verletzungen heilten zwar nach einer längeren Behandlungsdauer wieder aus. Vorübergehend konnte er sogar wieder in seinem Job als Verwaltungsfachangestellter arbeiten. Allerdings entwickelte der Mann im Anschluss an den Unfall immer neue psychosomatische Beschwerden. Diese führten schließlich zu einer dauerhaften Arbeitsunfähigkeit.
Inzwischen erhält der Mann eine volle Erwerbsminderungsrente.
Zusätzlich verlangt aber von der Haftpflichtversicherung des Unfallgegners Ersatz für seinen unfallbedingten Verdienstausfall in Höhe von rund 130.000 Euro für die Vergangenheit und knapp 1.500 Euro pro Monat für die Zukunft.

Zug durch alle Instanzen

Das Landgericht Kiel gab der Klage des Unfallopfers im Wesentlichen statt. Die zweite Instanz, das Oberlandesgericht Schleswig hingegen kürzte die Ansprüche wegen eines Verstoßes gegen die Schadensminderungspflicht um bis zu 75 Prozent. Sie begründete die Entscheidung damit, dass der Mann es unterlassen hatte, sich wegen seiner psychischen Beschwerden therapeutische Hilfe zu suchen.
Der Fall landete schließlich vor dem BGH – und endete zugunsten des Unfallopfers (Az VI ZR 91/19).
Die Karlsruher Richter führten aus, dass ein Geschädigter zwar grundsätzlich verpflichtet sei, seinen Schaden zu mindern. Dabei müsse er sich aber nur zumutbaren Behandlungen unterziehen. Und wenn es darum gehe, die Höhe eines Verdienstausfalls zu ermitteln, könne eine Therapie nur dann zumutbar sein, wenn durch sie die Aussicht auf eine erfolgreiche berufliche Wiedereingliederung bestehe.
Ähnlich wie bei einer Operation könne der Geschädigte hingegen nicht ohne weiteres darauf verwiesen werden, sich im Interesse der Schadensminderung einer psychiatrischen Behandlung zu unterziehen. Entsprechend werde eine Obliegenheitsverletzung regelmäßig ausscheiden, wenn die Verweigerung oder Verzögerung der indizierten Therapie eine typische Folge der unfallbedingten psychischen Erkrankung sei – so auch im vorliegenden Fall.
Hier hatte der Amtsarzt dem Betroffenen selbst empfohlen habe, einen Antrag auf Erwerbsminderungsrente zu stellen. Die behandelnde Fachärztin für psychotherapeutische Medizin hatte ihm zudem auch Jahre später noch eine unveränderte fehlende Belastbarkeit und Arbeitsfähigkeit bescheinigt sowie eine zukünftige Besserung der Leistungsfähigkeit ausgeschlossen. Diese Einschätzung war von der beratenden Ärztin der Rentenversicherung bestätigt worden. Jedoch habe sich das Berufungsgericht mit diesen Einlassungen nicht befasst.

Quotenmäßige Anspruchskürzung unzulässig

Entsprechend hob der BGH das Urteil der Vorinstanz insoweit auf und verwies die Sache zurück. Zugleich kassierten die Bundesrichter die vom OLG Schleswig vorgenommene quotenmäßige Anspruchskürzung. Sie komme grundsätzlich nicht in Betracht: Wenn von einem Verstoß gegen die Schadensgeringhaltungspflicht auszugehen sei, müsse vielmehr das erzielbare (fiktive) Einkommen auf den Schaden angerechnet werden.

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