Vorschäden am Auto: Wann mindern sie den Wiederbeschaffungswert?
Nach einem Autounfall gibt das Unfallopfer ein Privatgutachten in Auftrag, um den Wiederbeschaffungswert seines Wagens zu ermitteln. Dabei verschweigt der Mann dem Sachverständigen zwei Vorschäden. Der Unfallgegner will daraufhin die Gutachterkosten nicht bezahlen. Zu Recht?
Auch wenn alte Autos oft noch zuverlässig fahren: Wer damit in einen Unfall verwickelt wird, hat vielfach ein Problem. So auch der Eigentümer eines betagten Wagens, dessen Wiederbeschaffungswert nach einem Crash auf gerade einmal 2200 Euro geschätzt wurde – und dessen Fall später das Oberlandesgericht (OLG) Hamm beschäftigte.
Der Wiederbeschaffungswert bezeichnet jenen Wert, für den sich ein vergleichbares Fahrzeug ohne den Unfallschaden zum Unfallzeitpunkt auf dem Markt erwerben lässt. Er lässt sich allerdings nur ermitteln, wenn feststeht, in welchem konkreten Zustand sich das beschädigte Fahrzeug am Tag des Unfalls tatsächlich befand und ob sein Wert durch Alt- und Vorschäden gemindert war.
Um diese Frage – und die Gutachterkosten – entbrannte zwischen den beiden Unfallbeteiligten ein Streit. Denn der geschädigte Autofahrer hatte seinem Privatgutachter nicht mitgeteilt, dass sein Wagen bereits zuvor kleinere Schäden hatte, die es zu reparieren galt. Dennoch wollte er die Kosten für das Gutachten ersetzt bekommen. Die Gegenpartei hingegen verweigerte die Zahlung. Der Fall landete vor dem OLG Hamm, das am Ende zugunsten des Geschädigten entschied (Az. 7 U 33/21).
Ab einem gewissen Alter sind Vorschäden (fast) egal
Der vom Gericht beauftragte Sachverständige, dessen Ausführungen Grundlage für die gerichtliche Schadensschätzung gewesen waren, hatte die Vorschäden in die Ermittlung des Wiederbeschaffungswerts einbezogen. Fotos belegten zudem, dass der Scheinwerfer und der Kühlergrill defekt waren und oberflächliche Schäden an der Lackierung bestanden.
Jedoch hat der Sachverständige hierzu ausgeführt, dass sich seine Ermittlung des Wiederbeschaffungswerts durch die Vorschäden im konkreten Fall nicht verändert habe. Ein durchschnittliches Fahrzeug im Alter und mit der Laufleistung des Unfallwagens sei bereits an einem Punkt angekommen, an dem kein großer Wertverlust mehr eintreten könne. Kleinere Vorschäden spielten daher keine Rolle für die Höhe des Wiederbeschaffungswerts. Aus diesem Grund müsse der Unfallgegner die Kosten des Privatgutachtens ersetzen.
Solche Kosten, so das Gericht, gehören zu den mit dem Schaden unmittelbar verbundenen Vermögensnachteilen, zumindest soweit die Begutachtung zur Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs erforderlich und zweckmäßig ist. Der Schädiger muss sie also auch dann zu ersetzen, wenn das Gutachten objektiv mangelhaft oder gar unbrauchbar ist.
Etwas anderes gelte nur, wenn das Unfallopfer die Unbrauchbarkeit des Gutachtens zu vertreten habe. Das sei etwa dann der Fall, wenn er einen erkennbar ungeeigneten Sachverständigen auswählt oder gegenüber dem von ihm beauftragten Privatsachverständigen erhebliche Vorschäden verschweigt und dieser deshalb zu einem fehlerhaften Ergebnis gelangt.
Im konkreten Fall habe der Geschädigte seinem Privatsachverständigen die Vorschäden zwar verschwiegen. Den Ersatz der Gutachterkosten könne er aber dennoch verlangen, da das Verschweigen für die Unrichtigkeit des Gutachtens nicht kausal geworden sei.
Kommentar von Jürgen Wahl, Fachanwalt für Versicherungsrecht:
Auch wenn das Unfallopfer im konkreten Fall Recht bekommen hat, ist es keine gute Idee, dem eigenen Privatgutachter relevante Tatsachen zu verschweigen. Ein solches Verhalten könnte in einer anders gelagerte Fallkonstellation durchaus dazu führen, dass der Geschädigte auf den Gutachterkosten sitzen bleibt.
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