Falschangaben im Nachprüfungsverfahren können zum Verlust des Versicherungsschutzes führen
Hat ein Berufsunfähigkeitsversicherer die Berufsunfähigkeit seines Versicherungsnehmers erst einmal anerkannt, so ist er an diese Leistungsentscheidung gebunden und muss bis auf Weiteres Leistungen aus der Berufsunfähigkeitsversicherung erbringen. Je nach versicherungsvertraglicher Vereinbarung behalten sich viele Versicherer aber vor, das Fortbestehen der Berufsunfähigkeit sowie ihren Grad nachzuprüfen. In diesem sogenannten Nachprüfungsverfahren muss der Versicherer darlegen und beweisen, dass eine Gesundheitsverbesserung eingetreten ist, die eine Leistungsabänderung rechtfertigt (BGH VersR 88, 281). Denkbar ist aber auch, dass sich der Gesundheitszustand verbessert hat, die Berufsunfähigkeit dennoch unverändert in der früher konkret ausgeübten Tätigkeit fortbesteht, aber nun erstmals ein Vergleichsberuf ausgeübt werden könnte. Auch dann kann der Versicherer im Nachprüfungsverfahren die erstmalige Verweisung aussprechen (OLG München VersR 97, 95). Dabei ist der Versicherer für die behaupteten Änderungen des Gesundheitszustandes oder die mögliche Verweisbarkeit darlegungs- und beweisbelastet. Dem Versicherungsnehmer obliegt es hingegen, die Fragen des Versicherers wahrheitsgemäß zu beantworten.
Nicht ganz so genau nahm es offensichtlich ein Versicherungsnehmer in einem jüngst vor dem Ober-landesgericht Oldenburg entschiedenen Rechtsstreit. Der Berufsunfähigkeitsversicherer hatte zunächst die Berufsunfähigkeit des Versicherungsnehmers anerkannt, wollte jedoch nach einiger Zeit aber das Fortbestehen der Leistungspflicht prüfen. Der Versicherer entsandte daher einen Außendienstmitarbeiter zu dem Versicherungsnehmer, der jenen im Rollstuhl sitzend vorfand. Der Versicherte gab an, unter starken Schmerzen zu leiden.
Dies alles passte nicht zu den Fotoaufnahmen, die der Versicherungsnehmer über sich selbst im Internet veröffentlich hatte. Dort nämlich war er als Marathonläufer in Siegespose zu sehen. Auch der muskulöse und durchtrainierte körperliche Zustand des Rollstuhlfahrers mutete dem Versicherungsmitarbeiter sonderbar an. Die Versicherung beauftragte daraufhin ein Detektivbüro. Der Versicherungsnehmer tappte in die Falle und bot dem Versicherungsdetektiv seine Tätigkeit als Küchenbauer an.
Der Versicherer zeigte sich wenig amüsiert und kündigte darauf die Berufsunfähigkeitsversicherung fristlos mit sofortiger Wirkung. Selbstredend wurden auch die Leistungen aus der Berufsunfähigkeitsversicherung mit sofortiger Wirkung eingestellt.
Der Versicherungsnehmer, der in dem Rechtsstreit als Kläger auftrat, vermochte die Verstimmung des Versicherers nicht nachzuvollziehen. Er wandte sich daher mit seiner Klage gegen die von seiner Ver-sicherung ausgesprochene Kündigung.
Nachdem bereits das Landgericht die Klage abgewiesen hatte, bemüht er zweitinstanzlich das Ober-landesgericht Oldenburg. Dieses bestätigte jedoch, dass die Kündigung des Versicherers zu Recht erfolgt sei. Angesichts des Verhaltens des Versicherungsnehmers durfte die Versicherung den Vertag – auch für die Zukunft – fristlos kündigen, so das Oberlandesgericht Oldenburg (Az. 5 U 78/16). Das Gericht begründete seine Entscheidung mit dem Umstand, dass das Vertrauen in die Redlichkeit des Versicherungsnehmers derart erschüttert sei, dass eine Fortsetzung des Vertragsverhältnisses unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessenlagen nicht mehr zumutbar sei.
Auch der Einwand des Klägers, die Versicherung habe ihn zuvor einmal abmahnen müssen, ging ins Leere. Eine vorherige Abmahnung sei nicht erforderlich, so das Gericht. Anderenfalls hätte jeder Ver-sicherungsnehmer die Möglichkeit, einmal sanktionslos zu versuchen, seine Versicherung hinters Licht zu führen. Auch sei das Vertrauensverhältnis so massiv zerstört, dass die Versicherung ohne weiteres Zuwarten beendet werden durfte.
Ob der Versicherungsnehmer aufgrund seiner bewussten Täuschung auch strafrechtliche Konsequenzen zu erwarten hat, ist nicht bekannt.
Rechtsanwalt Jürgen Wahl
www.versicherungsrecht-offenbach.de
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