Vertrauenshaftung: Private Krankenversicherung muss auch nicht notwendige Behandlung zahlen

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Anderthalb Jahre lang bezahlte eine private Krankenversicherung für fragwürdige Therapien – dann verweigerte sie die Leistung. Zu Unrecht, befand das OLG Karlsruhe.

Freie Arztwahl und die Übernahme der Kosten für alle anerkannten Behandlungsmethoden und Medikamente: Dieses Versprechen privater Krankenversicherer macht die Konkurrenz der gesetzlichen Kassen für Kunden attraktiv.

Immer wieder allerdings kommt es auch zwischen Privatpatienten und ihren Versicherungen zu Streit. Vielfach argumentiert die Versicherung auch hier, dass eine Behandlung medizinisch nicht notwendig war. In diesem Fall werden auch die privaten Gesellschaften von der Leistung frei.

Dass dieser Grundsatz nicht uneingeschränkt gilt, belegt allerdings ein aktuelles Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Karlsruhe (Az.: 12 U 194/22).
Im konkreten Fall ging es um eine Frau, die nach einem Herzinfarkt im Jahr 2009 diverse gesundheitliche Probleme entwickelt hatte und deshalb auch die Dienste eines Spezialisten für Naturheilverfahren und Umweltmedizin in Anspruch nahm. Sie litt unter anderem an einer Hornhautverkrümmung, latentem Schielen und einem beginnenden grauen Star bei zunehmender Sehverschlechterung. Hinzu kamen extreme muskuläre Verspannung der Halswirbelsäule, multiple Blockierungen der Wirbelsäule, einer Rippenblockade mit Bewegungseinschränkungen, einer Atlas- und Axis-Verschiebung sowie eine erhebliche Schmerzsymptomatik und extreme Kopfschmerzen.

Zudem bestand bei der Frau eine globale motorische Aphasie (Sprachstörung), eine Kontrastmittelallergie und intermittierendes Vorhofflimmern.

Selbstheilung auf Kosten der Versicherung?

Der Arzt behandelte die vielfältigen Probleme der Patientin ab Mitte 2013 mit einer hyperbaren Ozon- und einer Photonentherapie. Diese gerätebasierten Behandlungen sollen unter anderem chronischen Entzündungen entgegenwirken sowie die Selbstheilung und die Zellregeneration unterstützen.

Die private Krankenversicherung der Frau kam zunächst für die Kosten der Behandlung auf. Im März 2015 allerdings ordnete die Gesellschaft eine Prüfung der Befund- und Behandlungsberichte an. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Kundin (für das laufende Jahr) bereits 4.235 Euro für ihre Therapien vorgestreckt. Zudem führte sie die Behandlungen bis Juli 2015 fort und bezahlte weitere 5.300 Euro.

Als sie von der Versicherung die Erstattung der 9.543 Euro verlangte, lehnte diese ab. Die Behandlung sei medizinisch nicht notwendig gewesen. Die Patientin klagte – und errang von der OLG Karlsruhe einen Sieg.

Plötzliche Kurswechsel sind verboten

Zwar hatten mehrere Gutachter schon in der Vorinstanz die Auffassung der Versicherung bestätigt und eingeräumt, dass die erbrachten Behandlungen medizinisch nicht nötig waren. Nach ihren Versicherungsbedingungen müsse der private Krankenversicherer die Behandlungskosten daher nicht übernehmen. Im konkreten Fall allerdings sei die Gesellschaft dennoch in der Pflicht, entschied das OLG: Da sie die Behandlung bislang vorbehaltlos bezahlt hatte, müsse sie ausnahmsweise erneut die Kosten übernehmen, wenn sich die Behandlung als medizinisch nicht notwendig erweist.

Unbegrenzt ist diese „Vertrauenshaftung“ allerdings nicht. Sie endet dann, wenn der Krankenversicherer eine Prüfung ankündigt oder die künftige Kostenübernahme ablehnt. Aus diesem Fall musste die Gesellschaft der Kundin auch nur die 4.235 Euro bezahlen, die diese im ersten Quartal 2015 für die Behandlungen aufgewandt hatte.

Kommentar von Jürgen Wahl, Fachanwalt für Versicherungsrecht:

Das Urteil ist grundsätzlich zu begrüßen. Nach wie vor allerdings versuchen viele Gesellschaften, ihre Leistungspflicht unzulässig einzuschränken. Sie haben Probleme mit ihrer privaten Krankenversicherung? Sprechen Sie mich an.

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