Berufsunfähigkeitsversicherung: Wie weit reicht eine vorläufige Deckungszusage?
Der Vertrag ist bereits unterschrieben, doch der Versicherungsschutz gilt noch nicht? Wer eine solche Situation vermeiden will, kann seiner Gesellschaft eine „vorläufige Deckungszusage“ abringen. Die Details sind allerdings kompliziert.
Die wenigsten Versicherungsverträge werden am Tag der Unterzeichnung wirksam. Meist vergeht zwischen Vertragsschluss und dem Beginn des angestrebten Versicherungsschutzes eine gewisse Zeit. Um Deckungslücken zu vermeiden, vereinbaren die Parteien dann oft eine sogenannte „vorläufige Deckung“. Im Ernstfall fühlen sich die Assekuranzen daran aber nicht unbedingt gebunden. Das belegt ein Fall, den unlängst das Landgericht (LG) Verden zu entscheiden hatte (Az. 8 O 240/20).
Konkret ging es um einen Versicherungsnehmer, der bereits eine Berufsunfähigkeitspolice (BU) besaß, nun aber eine andere BU bei derselben Gesellschaft abschließen und den alten Vertrag durch den neuen ersetzen wollte. Die Parteien vereinbarten, dass der Altvertrag bei Annahme des Antrags für die neue BU aufgehoben werden solle. Letzterer wurde zudem mit einer vorläufigen Deckung gesichert, wonach der Kunde auch in der Schwebezeit zwischen Vertragsschluss und Versicherungsbeginn die gleichen Leistungen wie aus einer bestehenden Berufsunfähigkeitsversicherung erwarten durfte.
Der vorläufige Schutz sollte mit Eingang des Antrages beginnen und dem Kunden im Fall einer Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit eine Höchstrente von 12.000 Euro pro Jahr sichern.
Versicherung hat sich verspekuliert
Der Mann hatte kaum den Antrag für die neue Versicherung gestellt, als er wegen der Folgen einer psychischen Erkrankung nicht mehr arbeiten konnte. Entsprechend forderte er Leistungen aus der BU-Versicherung ein. Der Versicherer weigerte sich daraufhin, den neuen Versicherungsantrag überhaupt anzunehmen. Es kam zum Streit, ob dem Kunden dennoch eine Rente zusteht – und wenn ja, auf Basis welches Vertrages.
Um diese Frage zu klären, müsste das LG Verden zunächst entscheiden, ob die vorläufige Deckung daran gekoppelt ist, dass der neue BU-Vertrag wirklich zustande kommt. Die Antwort leitete das Gericht aus Paragraf 49 des Versicherungsvertragsgesetzes ab. Dieser Norm ist zu entnehmen, dass auch ein Vertrag, der eine vorläufige Deckung gewährt, ein Versicherungsvertrag ist.
Im zweiten Schritt klärte das Gericht, dass die Bedingung, die den ersten Versicherungsvertrag auflösen sollte, also die „Annahme des Antrags“ wegen der Weigerung des Versicherers nicht eingetreten sei. Das kuriose Endergebnis lautet daher: Wegen der Weigerung der Gesellschaft, den Antrag für die zweite Police anzunehmen, steht dem Versicherungsnehmer nun sogar aus zwei Versicherungsverträgen eine Leistung zu – zum einen aus seiner alten BU, zum anderen aus der vorläufigen Deckungszusage.
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