Berufsunfähigkeitsversicherung: Wenn die Versicherung Kunden zu Unrecht auf einen anderen Job verweist

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Ein neuer Job kostet Versicherte nicht unbedingt ihre BU-Rente. Denn die neue Berufstätigkeit ist mit der bisher ausgeübten nicht vergleichbar, wenn die soziale Wertschätzung deutlich geringer ist.

Ein 60-jähriger Mann, der als Vorarbeiter in einem technischen Labor gearbeitet hat, streitet mit seine Berufsunfähigkeitsversicherung, weil diese ihm die vereinbarten Leistungen vorenthält. Er gibt an, seit dem 01.08.2018 wegen orthopädischer, kardiologischer und psychischer Einschränkungen nicht mehr in seinem zuletzt ausgeübten Beruf arbeiten zu können.

Als die Gesellschaft die Leistung verweigert, beauftragt der Mann einen Anwalt. Nachdem dieser die Assekuranz ebenfalls zur Zahlung aufgefordert hat, kündigt diese zwar eine Überprüfung des Falles an. Weitere Mitteilungen blieben aber aus.

Arbeiten trotz BU-Rente?

Seit 01.05.2019 arbeitet der Mann wieder bei seinem ehemaligen Arbeitgeber – wenn auch in einer anderen Verwendung. Statt wie bisher die Organisation und Planung der Arbeitsabläufe seines Teams vorzunehmen, Fachkräfte anzuleiten und einzuweisen sowie die die Prozesse des technischen Laboratoriums zu organisieren und zu kontrollieren, versieht er nun nur noch die Rolle eines „Allgemeinarbeiters“. Er ist daher nur noch mit dem Erfassen der Prüfaufträge von anderen Abteilungen und deren Weitergabe an den jeweiligen Vorarbeiter befasst.

Dennoch erklärte die Versicherung im inzwischen weiter schwelenden Rechtsstreit vorsorglich (hilfsweise) die „Leistungseinstellung unter Bezugnahme auf die Aufnahme einer konkreten Verweisungstätigkeit zum 1. Mai 2019“. Der Kunde klagte – und bekam vor dem OLG Saarbrücken Recht.

Vom Vorarbeiter zum Allgemeinarbeiter

Der 5. Zivilsenat des Gerichts entschied, dass die Assekuranz ihrem Kunden die vertragsgemäß geschuldete Rente in Höhe von 1.200,00 Euro sowie die Befreiung von der Pflicht zur Beitragszahlung schuldet (OLG Saarbrücken, Az. 5 U 43/22).

Im konkreten Fall stehe mit der erforderlichen hinreichenden Gewissheit fest, dass der Versicherte spätestens seit 08.11.2018 bedingungsgemäß zu mehr als 50 Prozent berufsunfähig gewesen ist. Auch habe er damals keine andere Tätigkeit ausgeübt hat, auf die er sich von der Beklagten verweisen lassen müsste. Vielmehr sei ihm die Fortsetzung der früheren Tätigkeit als Vorarbeiter in Wechselschicht nicht zuzumuten gewesen, da er bereits einen Herzinfarkt erlitten hatte und sich durch die Arbeit im Schichtbetrieb das Risiko erhöhe, dass es zu einer erneuten Erkrankung bzw. zu einem Fortschreiten der Erkrankung komme.

Ebenfalls ist es nach Worten des Senats nicht erwiesen, dass die vom Kläger seit 01.05.2019 ausgeübte neue Tätigkeit seiner bisherigen Lebensstellung in wirtschaftlicher und sozialer Hinsicht entspricht, weil davon auszugehen sei, dass jedenfalls die soziale Wertschätzung der neuen Tätigkeit unter dem Niveau des bislang ausgeübten Berufes liegt.

Nach Auffassung des Senats hat der Versicherte dadurch die Voraussetzungen eines Versicherungsfalles im November 2018 bewiesen. Da auch eine spätere wirksame Leistungseinstellung durch die Gesellschaft zu verneinen ist, stehe ihm die vereinbarte Rente zu.

Kommentar von Jürgen Wahl, Rechtsanwalt für Berufsunfähigkeitsversicherung:

Zwar muss sich ein Versicherungsnehmer auf eine Vergleichstätigkeit verweisen lassen, wenn diese keine deutlich geringeren Kenntnisse und Fähigkeiten erfordert und in ihrer Vergütung sowie in ihrer sozialen Wertschätzung nicht spürbar unter dem Niveau des bislang ausgeübten Berufs liegt (BGH, IV ZR 11/16). Das OLG Saarbrücken weist vorliegend aber zu Recht darauf hin, dass dieser Beweis im Nachprüfungsverfahren vom Versicherer zu erbringen ist – und dies im konkreten Fall nicht geschehen ist

Sie haben ebenfalls Zweifel, ob das Vorgehen Ihrer Berufsunfähigkeitsversicherung rechtlich einwandfrei ist? Als Rechtsanwalt und Fachanwalt für Versicherungsrecht und Medizinrecht, verhelfe ich Ihnen bei Problemen mit Ihrer BU gerne zu Ihrem guten Recht! Treten Sie gerne mit mir in Kontakt.

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