Happy End nach fünfjährigem Rechtsstreit mit Generali wegen Berufsunfähigkeit
Fünf Jahre musste der ausgebildete Versicherungsfachmann vor Gericht kämpfen, bis das Oberlandesgericht Frankfurt am Main die Generali Deutschland Lebensversicherung AG am 20.09.2023 in zweiter Instanz mit Urteil 3 U 277/22 verurteilte, ihrem Versicherungsnehmer die geschuldete Berufsunfähigkeitsrente zu zahlen.
Bereits das Landgericht Hanau hatte die Generali Deutschland Lebensversicherung AG in der Vorinstanz zu Aktenzeichen 9 O 80/18 verurteilt, doch diese weigerte sich weiter beharrlich, ihren Verpflichtungen aus der Berufsunfähigkeitsversicherung nachzukommen. Das Schicksal ihres Versicherungsnehmers, der aufgrund der ihm vorenthaltenen Berufsunfähigkeitsleistungen in eine wirtschaftliche Notlage geraten war, kümmerte sie dabei nicht.
Die Generali Deutschland Lebensversicherung AG bestritt das Vorliegen bedingungsgemäßer Berufsunfähigkeit. Darüber hinaus wollte sie den Versicherungsfachmann auf seine vor langen Jahren einmal erlernte Tätigkeit als Schreiner verweisen.
Nach Auffassung der Berufsunfähigkeitsversicherung hätte bereits das Landgericht Hanau in 1. Instanz die Klage abweisen müssen. Die festgestellte Dysthymia sei allenfalls eine depressive Verstimmung, die weder schwer noch hinsichtlich einzelner Episoden anhaltend genug sei, um die Kriterien einer schweren, mittelgradigen oder auch nur leichten rezidivierenden depressiven Störung zu erfüllen. Dies rechtfertige die Annahme einer Berufsunfähigkeit nicht. Auch die darüber hinaus festgestellten Schlafstörungen und die Konzentrationsstörungen und die erhöhte Ermüdbarkeit seien in keinster Weise objektiviert worden. Ähnliches gelte für eine rezidivierende depressive Störung, die als allenfalls leichte Symptomatik eine Berufsunfähigkeit nicht bedingen könne. Eine chronische Schmerzstörung – wie vom Versicherungsnehmer behauptet – negiert die Berufsunfähigkeitsversicherung. Jedenfalls könnten sie somatischen Faktoren keine wesentliche Rolle gespielt haben, was aus den orthopädischen sowie neurologischen Sachverständigengutachten folge. Im Übrigen aber sei es dem Versicherungsnehmer zumutbar, wieder in seiner früheren Ausbildungstätigkeit als Schreiner zu arbeiten. Auch die aktuell ausgeübte Gärtnertätigkeit des Versicherungsnehmers spreche gegen eine Berufsunfähigkeit.
Dem trat das Oberlandesgericht Frankfurt in seinem Urteil mit klaren Worten entgegen. Ohne Zweifel stehe fest, dass der Kläger an einer mittlerweile teilremittierten rezidivierenden depressiven Störung leide, welche im August 2015 einer mittelschweren depressiven Episode entsprochen habe, sowie an einer Dysthymia und einer chronischen Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren. Es habe sich ein chronifiziertes Krankheitsbild entwickelt. Aufgrund einer starken Konzentrationsminderung, einer psychischen Residualsymptomatik sowie der mangelnden Schmerzverwaltungsmöglichkeit bestehe eine Leistungsminderung auch zum gegenwärtigen Zeitpunkt fort. Von einer Wiederherstellung der vollen beruflichen Leistungsfähigkeit sei angesichts der Chronifizierung des Krankheitsbildes nicht auszugehen.
Den Vorwurf, der Sachverständige habe sich lediglich auf nicht objektivierbare Eigenangaben des Klägers gestützt, wies das Oberlandesgericht als unbegründet zurück. Tatsächlich habe der Sachverständige alles getan, um eine Verfälschung der Diagnose aufgrund von Simulations- oder Aggravationstendenzen zu vermeiden. Für die Erstellung eines psychodynamischen Befundes sei man auf die subjektiven Schilderungen des Patienten angewiesen. Diese würde aber durch verhaltensbezogene und szenische Beobachtungen sowie nonverbale Informationen ergänzt. Um die Vergleichbarkeit zu erhöhen, fänden eine klinische Exploration durch zwei Untersucher sowie testpsychologische Untersuchungen durch eine dritte, in diesem Bereich geschulte Person statt.
Zu Recht habe das Landgericht auch die Verweisung des Klägers auf eine andere Tätigkeit verneint. Nach den einschlägigen Versicherungsbedingungen könne die versicherte Person auch auf eine andere Tätigkeit verwiesen werden, wenn sie aufgrund ihrer Kenntnis und Fähigkeiten diese ausüben kann und sie ihrer vormaligen Lebensstellung entspricht. Letzteres sei aber zu verneinen, wenn die neue Tätigkeit in ihrer Vergütung und sozialen Wertschätzung deutlich unter das Niveau der zuvor ausgeübten Tätigkeit absinke. Das Gericht sei davon überzeugt, dass der Kläger den Beruf des Schreiners nicht mehr ausüben könne, die alternativ ausgeübte Tätigkeit der Objektbetreuung und Gartentätigkeit sei nicht geeignet, die bisherige Lebensstellung des Klägers zu sichern. Dies werde auch durch die Einkommensteuerbescheide 2019 und 2020 belegt, es liege klar auf der Hand, dass die Einkünfte, die der Kläger mit dieser tatsächlich ausgeübten Tätigkeit erziele, nur dazu dienen sollten, sein Existenzminimum zu sichern. Letztlich dürfe dabei auch nicht außer Acht gelassen werden, dass der Kläger – „obwohl die Beklagte sich seit mehreren Jahren zu Unrecht weigert, seine berechtigten Ansprüche zu erfüllen und er deswegen einen dringenden Finanzbedarf hat – es offensichtlich über mehrere Jahre hinweg nicht geschafft hat, mithilfe der Tätigkeit im Bereich Objektbetreuung und Gartenarbeit Einkünfte zu erzielen, die auch nur annähernd mit denjenigen vergleichbar seien, wie er sie ausweislich der Lohnsteuerbescheinigungen aus dem Jahre 2013 bis 2015 erzielt hat“. Eine Verweisung sei damit nicht zumutbar.
Der durch das Oberlandesgericht entschiedene Fall zeigt, wie sich Berufsunfähigkeitsversicherer immer wieder mit vorgeschobenen Argumenten gegen ihre Zahlungspflicht wehren. Das Wohl ihrer Versicherten, die meist zwingend auf die Leistungen aus der Berufsunfähigkeitsversicherung angewiesen sind, interessiert diese oft nicht. In der Auseinandersetzung mit der Berufsunfähigkeitsversicherung bedarf der Versicherungsnehmer eines langen Atems. Eine erfolgreiche Durchsetzung der versicherten Ansprüche ist meist nur mit fachkundiger Beratung durch einen Fachanwalt für Versicherungsrecht möglich.
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