Private Unfallversicherung: Gesellschaft muss auch zahlen, wenn zweiter Unfall die Folgen des ersten verschlimmert

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Oft kürzen private Unfallversicherungen ihren Kunden die Leistungen, weil diese (vermeintlich) einen sogenannten Vorschaden haben. Dieses Vorgehen ist allerdings nicht immer rechtens.

Ein Vorschaden oder eine Vorinvalidität im versicherungsrechtlichen Sinne liegt vor, wenn ein Versicherungsnehmer bereits einen sogenannten Dauerschaden erlitten hat, der zu Funktionseinschränkungen eines bestimmten Körperteiles führt.

Damit ein solcher Vorschaden relevant wird, muss er in den Krankenakten des Kunden niedergelegt und prozentual bezifferbar sein. Wann das der Fall ist, darüber lässt sich jedoch trefflich streiten, wie ein aktuelles Urteil des Landgericht Arnsberg belegt (Az.: I-1 O 155/20).

Drei Monate, zwei Unfälle

Im konkreten Fall stritten ein heute 24-jähriger Mann und dessen private Unfallversicherung über die Frage, ob diese für die Folgen eines Unfalls einstehen musste, der die Folgen eines Unfalls von vor einigen Monaten verschlimmerte. Bei dem ersten Ereignis hatte der Kunde sich bei einem Fahrradunfall am Sprunggelenk verletzt, nachdem er in einer Rechtskurve gefallen und sich die Pedale an den Knöchel geschlagen hatte. Ein viertel Jahr später verunglückte der mehr als zwei Meter große und 110 Kilogramm schwere Versicherte erneut – diesmal während seines Jobs als Bedienung auf einem Schützenfest.

Nachdem ihn ein betrunkener Gast von hinten gerempelt hatte, stürzte er nach vorne Richtung Treppe. Er kam auf der ersten Stufe auf, belastete das ohnehin schon lädierte Gelenk mit seinem vollen Gewicht und knickte nach außen weg.

Gegenüber seiner privaten Unfallversicherung gab er an, dass beide Unfälle unabhängig voneinander zu einer Verstauchung seines rechten Sprunggelenkes geführt und am Ende einen Dauerschaden am Knochen des Gelenks nach sich gezogen hätten.

MRT-Bilder belegen frische Verletzungen auch nach dem zweiten Unfall

Die Gesellschaft wollte das nicht anerkennen – kam damit allerdings nicht durch. Gestützt auf die Aussagen des gerichtlichen Sachverständigen befand das Landgericht Arnsberg vielmehr, dass dem Mann eine Leistung der Versicherung zustehe.
Der Gutachter hatte ausgesagt, dass der zweite Vorfall bei dem Patienten ein sogenanntes Supinationstrauma des rechten oberen Sprunggelenkes ausgelöst habe. Zwar habe dort bereits eine strukturelle Schädigung vorbestanden. MRT-Aufnahmen nach dem zweiten Unfall hätten aber auch frische Verletzungsfolgen gezeigt, die eine weitere Schädigung des ohnehin schon lädierten Knochens verursacht haben.

Es sei daher auch nach dem zweiten Unfall ein Dauerschaden im Sinne der Versicherungsbedingungen der Beklagten eingetreten. Die Versicherung musste zahlen.

Kommentar von Jürgen Wahl, Fachanwalt für Versicherungsrecht:

Das Thema Vorschäden spielt nicht nur bei Sportverletzungen und Unfällen eine große Rolle. Vielfach verweisen Versicherungen auch auf altersgerechte Verschleißerscheinungen, um Leistungen zu kürzen oder ganz zu verweigern. Allerdings hat der Bundesgerichtshof schon vor Jahren entschieden, dass es für einen adäquaten Kausalzusammenhang zwischen Unfallereignis und Gesundheitsbeeinträchtigung genügt, wenn der Unfall an der eingetretenen Funktionsbeeinträchtigung mitgewirkt hat und diese Mitwirkung nicht gänzlich außerhalb aller Wahrscheinlichkeit liegt. Entsprechend schließen Vorschäden für sich genommen die Kausalität und damit auch Leistungen der privaten Unfallversicherung keineswegs aus.

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