Warum Versicherungsnehmer den sperrigen Begriff der Obliegenheitsverletzung unbedingt kennen sollten
Juristendeutsch ist für Normalverbraucher nicht immer leicht zu verstehen. Gerade im Versicherungsrecht sollten Kunden den einen oder anderen Fachbegriff aber einordnen können. Besonders wichtig ist es, die Bedeutung sogenannter „Obliegenheiten“ zu kennen.
Versicherungen sind erstaunliche Produkte. Sie sehen auf der einen Seite vor, dass ein Kunde bei Eintritt des Versicherungsfalles Anspruch auf eine bestimmte Leistung hat. Zugleich allerdings gibt es vielfach Regeln zu den damit einhergehenden Rechten und Pflichten des Kunden. Diese sogenannten Obliegenheiten stellen die Leistung des Versicherers unter eine Art Bedingung: Denn nur wenn der Kunde seine Obliegenheiten nicht verletzt, hat er einen Anspruch auf die vollständige Leistung.
Die Obliegenheiten sind zum Teil im Versicherungsvertragsgesetz (VVG) niedergelegt, andere ergeben sich aus den vertraglichen Vereinbarungen mit dem Versicherer der Wahl.
Die Folgen eines Verstoßes sind aber immer gleich: Sie berechtigen die Gesellschaft dazu, die Leistung zu verweigern, zu mindern – oder sich sogar vom Vertrag zu lösen.
Obliegenheiten vor Vertragsschluss
Schon bevor sie einen Versicherungsvertrag unterschreiben, unterliegen (angehende) Versicherungskunden strengen Regeln, wenn sie ihren künftigen Schutz nicht gefährden wollen. Insbesondere müssen sie alle Fragen des Versicherers wahrheitsgemäß beantworten. Das ist insbesondere bei Versicherungen wichtig, die die Gesundheit, Arbeitskraft oder gar das Leben versichern. Hier führen die meisten Gesellschaften einen peniblen Risiko- und Gesundheitscheck durch.
Wer hier schummelt und zum Beispiel ein gesundheitliches Leiden oder seinen täglichen Zigarettenkonsum unterschlägt, verstößt folglich gehen die „vorvertraglichen Anzeigepflichten“ und riskiert, im Ernstfall leer auszugehen.
Obliegenheiten während der Vertragslaufzeit
Auch wer seine Versicherung in Anspruch nehmen muss, sollte sich bei der Meldung und Behandlung des Schadens peinlich an alle Regeln halten, um Leistungsausschlüsse zu verhindern. Besonders wichtig sind in diesem Fall die rechtzeitige Anzeige eines Schadens und die sogenannte Mitwirkungspflicht des Kunden.
- Grundsätzlich sollten Kunden einen Schaden so schnell wie möglich bei ihrer Versicherung zu melden. Das gilt vor allem, wenn der Vertrag eine „unverzüglich“ Meldung erwartet. In diesem Fall sollte die Versicherung innerhalb eines Werktages informiert werden.
- Ist eine Meldung erfolgt, trifft den Kunden zudem eine Mitwirkungspflicht bei der Feststellung des Schadens – er darf also zum Beispiel ein beschädigtes Auto nicht sofort reparieren lassen.
- Eine weitere Obliegenheit ist die Schadensminderungspflicht. Sie besagt, dass der Schaden so gering wie möglich zu halten ist. Hat beispielsweise ein Hagelsturm ein Dachfenster zerstört, muss der Kunde die Stelle zumindest abdichten, um Folgeschäden durch weitere Unwetter zu verhindern.
Kommentar von Jürgen Wahl, Fachanwalt für Versicherungsrecht:
Welche Obliegenheiten einen Kunden treffen, kann je nach Versicherungsart und Vertrag variieren. Auch die Folgen einer Obliegenheitsverletzung sind nicht immer gleich. Sie richten sich (auch) nach dem Verschulden des Kunden. Im schlimmsten Fall muss die Versicherung keinerlei Leistungen erbringen und kann sich vom Vertrag lösen. Um dieses Worst-Case-Szenario zu verhindern, sollten sich Versicherungskunden daher frühzeitig durch einen Spezialisten für Versicherungsrecht beraten lassen.
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